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Fatebug -Tödliches Netzwerk 20

 

20.

 

 

 

Strecker durchtrennte das Siegel mit einem Taschenmesser und öffnete die Tür zu der Werkstatt in dem verlassenen Industriegebiet, die knarrend nach außen schwang, als er daran zog. Der Hauptkommissar trat ein und fingerte an der Wand links von der Tür nach dem Lichtschalter. Nach einigen von leisen Flüchen begleiteten Versuchen zeigte sich ein Erfolg durch von einem Klackern eingeleitetes Flackern mehrerer unter der Decke befestigter Neonröhren. Klaus Sehlmann, der hinter Strecker eingetreten war, blieb gleich hinter der Tür stehen und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Nicht dass er noch etwas Neues zu entdecken hoffte, aber um den Täter verstehen zu können, musste er so viel an Informationen sammeln, wie irgend möglich. Und dazu gehörten nicht nur Fakten, sondern auch Dinge, die eher im Gefühlsbereich anzusiedeln waren. Er war hier um die Atmosphäre des Tatortes aufzusaugen.

 

Der Raum war höher als er es anhand der Bilder erwartet hatte. Und etwas größer. Offenbar wurde der Raum seit längerer Zeit schon nicht mehr benutzt. Vor den Wänden war der Boden an den meisten Stellen heller, irgendwie sauberer als in der Mitte des Raumes. Sehlmann vermutete, dass hier früher Möbel gestanden hatten. Kommoden, Schränke, Werkbänke, Regale oder Ähnliches. An der der Tür gegenüberliegenden Wand stand das, neben dem Metalltisch, einzig verbliebene Möbel, der Werkzeugschrank. Die Türen waren geöffnet, alle drei Regalbretter und der Boden des Schrankes waren allem Anschein nach leer. Klaus Sehlmann ging näher an den Schrank heran, um sicherzugehen, dass er nichts übersehen hatte. Als er sich in den Raum hinein bewegte, fiel ihm das einzige Fenster in dem Raum auf. Es lag an der Wand rechts neben der Tür, lag also zum Eingang und dem Zugang zur Garage hin. Es war zwar zu hoch und zu verdreckt um dadurch herausschauen, geschweige denn von außen hereinschauen zu können, aber es musste draußen auffallen, wenn in der Werkstatt Licht brennen würde. Ein Risiko, das ein kalkuliert vorgehender Täter sicher nicht eingegangen wäre. Er müsste im Dunkeln gearbeitet haben, was in Anbetracht der Komplexität der Tat nur schwer möglich schien. Oder was wahrscheinlicher war, er hatte das Opfer am Tag aufgeschnitten. Natürlich konnte er den Mann schon vorher in die Werkstatt gebracht und dort gefangen gehalten haben, entweder schon auf den Metalltisch geschnürt oder sonst wie deponiert.

 

Der Tisch selbst war auch unspektakulär. Er war ca. zwei Meter lang, unter der eigentlichen Tischplatte gab es eine weitere Platte, die man als Ablage benutzen konnte. Er hatte jeweils Rollen samt Bremsvorrichtungen an den vier Beinen. Einen durch die Verlängerung und Zusammenführung der Beine gebildeten Griff oder Bügel, an einem Ende. Das war es schon.

 

Den Weg zur zweiten Tür konnte er sich sparen. Dorthin führten keinerlei Spuren und aus dem Bericht wusste er, dass sie verschlossen war. Insgesamt bestätigte der Tatort Sehlmanns Bild vom Täter. Der Tatort war mit Bedacht gewählt. Er war für die Tat funktionell passend, hatte aber für den Täter außer seiner Eignung für die Tat offenbar keine tiefere Bedeutung. Der Schlüssel musste woanders liegen.

 

Auf der Rückfahrt zum Präsidium, Strecker chauffierte, sprachen sie kein Wort miteinander. Der Regen nieselte noch immer auf die Stadt herab, immerhin war es aber heller geworden. Als sie gegen 11:00 Uhr Streckers Büro betraten, war Max Lohr schon da. Er saß an seinem Schreibtisch und blickte auf seinen Computerbildschirm.

 

Sie hatten den richtigen Riecher“, rief er Strecker zu. „Keine Viertelstunde nachdem wir das Haus verlassen hatten, verließ es ein Mann, Alter ca. Mitte 30. Ich habe einige schöne Fotos gemacht. Ich jage die Bilder gerade durch das Gesichtserkennungsprogramm. Das ist aber nur zur Sicherheit. Ich denke, wir haben ihn schon identifiziert. Ich bin ihm bis zu seinem Auto gefolgt, dass er zwei Straßen weiter abgestellt hatte. Und ich habe das Kennzeichen. Der Fahrzeughalter ist ein gewisser Josef Sterzel, wohnhaft hier in Deutz. Kein unbeschriebenes Blatt übrigens. Mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch, eine Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe. Verkehrt in, wie es so schön heißt, rechtskonservativen Kreisen. Da wird uns Frau Beu ja Einiges zu erzählen haben.“

 

Die übernehme ich“, antwortete Strecker, „sie fahren sofort zu diesem Sterzel und befragen ihn nach seiner Beziehung zu Frau Beu und dem Toten. Wenn sie sich beeilen, sind sie zurück bevor Frau Beu hier ist. Aber sorgen sie dafür, dass Sterzel die Beu nicht vorher warnt. Nehmen Sie ihn zur Not vorläufig fest“.

 

Und aus welchem Grund?“, fragte Kommissar Lohr.

 

Ihnen fällt schon was ein“, konterte Hauptkommissar Strecker. Lohr schickte sich die nötigen Daten aus der Akte auf sein Smartphone, nahm seine Jacke von der Stuhllehne und verließ den Raum.

 

Gehen wir was essen?“, fragte Strecker den Fallanalysten.

 

Danke. Ich habe noch keinen Hunger und möchte noch einige Informationen zusammenstellen. Bitte entschuldigen Sie mich“. Sehlmann hatte schlichtweg keinen Bock auf diesen Kotzbrocken.