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Fatebug - Tödliches Netzwerk 68

 

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Der nächste Tag sollte alles ändern. Nein nicht alles, aber vieles. Für Viele. Nicht das die Pressekonferenz am Vortag noch von den Medien ignoriert worden war. Die Nachrichtenmagazine hatten berichtet, wenn auch kurz. Ebenso die eher pflichtgemäß anmutenden Kurzmeldungen in den Abendzeitungen. Auch Online-Magazine brachten kurze Berichte über die Pressekonferenz. Aber wer auf ein lautes Medienecho setzte, war sicher enttäuscht. Aber nicht lange, denn der Morgen brachte ein erhebliches Echo. Jede Zeitung hatte die Pressekonferenz als Schlagzeile. Jede Zeitung hatte einen langen Artikel oder sogar einen Kommentar über das Ereignis. Stimmten sie im Bericht über die PK noch weitgehend überein, unterschieden sie sich doch erheblich in der Gewichtung und Interpretation der Informationen. Wie sie sich auch hinsichtlich der Bedeutung der unterschiedlichen Beteiligten unterschieden.

 

Während sich die Boulevardpresse hauptsächlich auf den Killer, seine Morde und der noch bestehenden Gefahr für weitere mögliche Opfer konzentrierte, sich also eher mit oberflächlichen Fakten und Schreckensszenarien beschäftigte, versuchten sich andere Blätter mit einer differenzierteren Einordnung in den sozialen und politischen Kontext. Hier war man sich sicher, dass die Ereignisse die seit bereits längerer Zeit währende Debatte über die Rolle, die die sozialen Netzwerke im Alltag der Gesellschaft spielten, zumindest anheizen würden.

 

Der ganze, größtenteils auch bereits in der Vergangenheit geführte Diskurs, über die Verantwortung der Betreiber der sozialen Netzwerke und der Eigenverantwortung der Nutzer im Umgang mit deren Angeboten kam wieder auf den Tisch. Von diesem Buffet aus Argumenten und Meinungen würden sich die verschiedenen Interessengruppen auch in den nächsten Tagen noch ausgiebig bedienen können. Die meisten Autoren waren sich einig, dass die sozialen Netzwerke das Sozialwesen radikal beeinflusst hatten. Ob derartige Phänomene, wie zum Beispiel artikulierter Hass, schon immer latent vorhanden war und durch die Möglichkeit der Postings nur leichter und weiter verbreitet wurde, also das immer schon vorhandene nur transparenter machte oder, ob die Möglichkeit seine Ansichten anonym zu verbreiten, die Balance zwischen Furcht und Aggression, eine der Leitplanken sozialer Gemeinschaften beeinträchtigt hatten, wurde lebhaft diskutiert

 

Dass die Anonymität und Verbreitungsmöglichkeit das Phänomen der Fakenews erst geboren, zumindest vom Exotendasein zum Alltag gewandelt hatten, war bei den meisten Autoren hingegen unbestritten.

 

Größeren Interpretationsspielraum bot offenbar wieder die Suche nach Verantwortlichen. Waren die Anbieter für die Konsequenzen verantwortlich die sich aus Hass- und Fakepostings ergaben oder waren die Nutzer schlicht nicht in der Lage, verantwortungsvoll mit den verfügbaren Instrumenten umzugehen? Hatte die Gesellschaft bei der Erziehung und Integration versagt? Und unabhängig von der Verantwortung: Wer sollte was tun, um die Situation zu ändern? Sofern man überhaupt etwas ändern sollte oder wollte

 

Unterschiedlich wie das Informations- und Meinungsbild der Medien waren auch deren Wirkung auf die Beteiligten.

 

Die Anbieter standen natürlich unter stärkerem Druck. Sicherlich hatte sich an der grundsätzlichen Argumentation nichts geändert. Aber die Effekte, die Aufmerksamkeit und die Emotionalität, mit der die Debatte geführt werden würde, waren größer geworden. Die Frage nach ihrer Verantwortung, nein Schuld für den Verlust von verlorenen und gefährdeten Menschenleben, war im Fokus der Öffentlichkeit. Und natürlich die Frage nach Prioritäten. Schutz der Nutzergemeinschaft oder Schutz der Nutzer.

 

Der Politik lieferten die Ereignisse zwar einerseits Rückenwind in der Diskussion mit den Konzernen, jedoch war der Druck, Lösungen zu finden, gleichwohl höher geworden. Musste ein Staat seine Bürger nicht vor solchen Situationen schützen können?

 

Die Nutzer mussten sich nach ihrer Mitverantwortung fragen. Und nach ihrer Verantwortung für ihr eigenes Leben.

 

Und der Täter? Hatte er erreicht, was er erreichen wollte? Hatte er einkalkuliert, was passiert war und vielleicht noch passieren würde? Würde er dafür die Verantwortung übernehmen können? Übernehmen wollen?