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Fatebug - Tödliches Netzwerk 77

 

77.

 

 

 

Wir sind bei den Selbstanzeigen unter der hundert geblieben“, eröffnete Kommissar Marten den im Besprechungsraum anwesenden Kollegen.

 

Sie hatten sich zu einer zweiten Zusammenkunft am frühen Nachmittag verabredet. Im kleineren Kreis ohne die lokalen Ermittler, denn die sollten sich nach der Sitzung am Vormittag wieder auf die Recherchen in ihren Revieren konzentrieren. Und sich melden, wenn es wesentliche Erkenntnisse geben sollte. Womit allerdings niemand ernsthaft rechnete.

 

Das liegt aber sicher auch daran, dass es sich mittlerweile wohl herumgesprochen hat, dass einige regionale Staatsanwaltschaften offiziell Ermittlungen wegen Beleidigung und Nötigung von Amts wegen gegen einige der Selbstanzeiger eingeleitet haben. Vielleicht gibt es auch nicht mehr Kandidaten. Die Chance, dass wir das je erfahren ist aber dadurch deutlich gesunken“.

 

Irgendetwas Neues von Fatelog?“, fragte Hauptkommissar Faber. Mehr der Ordnung halber, als das er ernsthaft mit Neuigkeit gerechnet hätte.

 

Eine Anmerkung noch“, meldete sich Kommissar Marten. „Fatebug hatte über 50.000 Likes als ich mir den Wert das letzte Mal angesehen hatte. Das sind wahrscheinlich nicht alles echte Fans, aber wir müssen davon ausgehen, dass eine große Zahl von Menschen gut findet, was er da macht. Und das kann uns noch eine Menge Ärger einbringen. Wir müssen davon ausgehen, dass ein Teil der Befürworter nicht vor Gewalt zurückschreckt und wir mit weiteren, durch Fatebug ausgelöste Übergriffen rechnen müssen.“

 

Und da wir gerade beim Thema Statistik sind. Auch wenn es keinen mehr wirklich interessiert“, ergänzte Marten mit einem Schmunzeln. „Wir haben mittlerweile fast die Hälfte der Morde und Selbstmorde im priorisierten Gebiet untersucht. Daran haben fast zweihundert Beamten gearbeitet, die haben fast 3000 Personen befragt. Bisher ist uns nichts Verdächtiges aufgefallen. Aber das will nichts heißen. Zeit für systematische Untersuchungen haben wir bei der Menge der infrage kommenden Fälle nicht, insofern stochern wir in einem riesigen Heuhaufen herum. Ohne eigentlich zu wissen, wonach wir suchen. Zusammengefasst. Ihr habt Recht das ihr euch nicht mehr dafür interessiert. Trotzdem, die Statistik führen wir in einer Übersicht in der Fallakte. Schaut gelegentlich mal herein. Nur für den Fall, dass euch mal jemand fragt, was denn diese Heerschar von Beamten so treibt“.

 

Übrigens, habt ihr das Interview mit dem deutschen Geschäftsführer von Fatelog, diesem Gassmann nicht gesehen?“, fragte Hauptkommissarin Garber in den Raum. „Der hatte gestern einen großen Auftritt in den ZDF-Abendnachrichten. Er hat sich und sein Unternehmen dabei echt gut aus der Schusslinie diskutiert. Nach den üblichen Phrasen, die die interviewende Moderatorin aber nicht gut entlarven konnte, hat er die Gelegenheit genutzt, die Nutzer aufzufordern das Medium nicht zu missbrauchen, sondern respektvoll mit den Mitmenschen umzugehen. Da hat selbst die Moderatorin den Mund vor lauter Staunen kaum noch zu bekommen“.

 

Das müssen dann wohl die Politiker regeln. Wir rechnen nicht mehr mit Unterstützung von Fatelog. Ich frage auch nicht mehr nach, erwarte aber, dass ihr uns informiert, wenn doch noch ein Wunder geschieht“, sagte Faber, verbunden mit einem Augenzwinkern in Richtung der Kollegen Sehlmann und Marten.

 

Bleibt noch die Organisation des Wochenendes“, fuhr er fort. Die Fahndung geht natürlich weiter, wir reduzieren die Intensität aber etwas. Jeder kann sein Team auf 50 Prozent runter fahren. Damit die Kollegen zumindest mal kurz durch schnaufen können. Wir sollten ständig einen von uns als Ansprechpartner hier vor Ort haben. Ich hätte gerne morgen Nachmittag frei. Ich habe Karten, für den FC und mein Sohn freut sich schon lange darauf.“

 

Ich habe auch Karten. Für die Oper“, ergänzte Hauptkommissarin Garber als die beiden Kommissare sie nach ihren ersten Worten überrascht ansahen. „Dafür bräuchte ich einen freien Samstagabend.“

 

Ok. Vorschlag. Ihr beiden“, sagte Hauptkommissar Faber in Richtung seiner Kollegen Marten und Sehlmann. „Teilt euch den Samstag auf. Lydia und ich übernehmen den Sonntag. Ist das in Ordnung?“

 

Kein Problem“, kam es unisono von den beiden Kommissaren zurück.

 

Ich würde gerne den morgigen Vormittag übernehmen“, bat Kommissar Sehlmann. „Dann kann ich gleich hierbleiben und fahre erst morgen nach Düsseldorf. Den heutigen Abend kann ich damit auch gleich abdecken, so dass du eigentlich gleich verschwinden könntest“, schlug er Herbert Marten vor. „Du kannst mich dann morgen gegen Mittag ablösen.“

 

Machen wir so“, antwortete Marten. „Liegt noch was an? Sonst bin ich weg“.

 

Eins noch. Wir sollten morgen und Sonntag früh miteinander telefonieren, um uns auf den aktuellen Stand zu bringen. Wenn es nichts Großartiges zu berichten gibt, können wir es ja kurz machen. Passt 10:00 Uhr?“, fragte Hauptkommissar Faber.

 

Nachdem die anderen die Termine durch Schweigen und Kopfnicken bestätigt hatten, fuhr der Hauptkommissar fort.

 

Ansonsten gilt aber die ganze Zeit. Handys auf Empfang. Mit Ausnahme der Opernvorstellung natürlich, aber Lydia schaut sicher in den Pausen nach eventuell verpassten Anrufen. Herbert, ich wünsche dir einen schönen Feierabend“.

 

Das ließ Kommissar Marten sich nicht zweimal sagen. Er wusste, wie wertvoll und selten Gelegenheiten waren, in Zeiten wie diesen, nach Hause zu kommen.

 

Danke, ich regle noch kurz die Wochenendaktivitäten in meinem Team. Dann bin ich weg“.

 

Und weg war er.