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Fatebug - Tödliches Netzwerk 79

 

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Jetzt war er schon gut eine Stunde unterwegs, Richtung Norden. Über die A3 bis Leverkusen, am Kreuz rechts ab Richtung Wuppertal, dann über Hagen, das Kamener Kreuz und dann nach Bielefeld, wo er die Autobahn verließ. Hier gab es ein nettes kleines Cafe´, das er zufällig gefunden hatte. Vor über einem Jahr war er hier gewesen. Als er noch ein ganz normaler Mann war, einen Beruf hatte, Freunde, Hobbies, sich auf einen Urlaub freute. Er hatte hier eine Pause gemacht, auf seiner Rückfahrt von Hamburg, wo er einen geschäftlichen Termin hatte. Was ihm in Erinnerung geblieben war, waren weniger Angebot und Atmosphäre des Cafes als vielmehr die Möglichkeit, dass für Kunden angebotene kostenlose W-LAN auch komfortabel von der Strasse aus zu erreichen.

 

Was er vergessen hatte, war wie schwierig man an besagter Strasse in der nötigen Nähe zum Cafe´ einen Parkplatz fand. Dreimal musste er um den Block fahren, bevor er seinen Wagen am Straßenrand abstellen konnte. Der Platz hatte noch einen weiteren Vorteil. Kameras fehlten. Davon hatte er sich sicherheitshalber nochmals auf dem Weg nach Bischofswerda überzeugt. Das Ergebnis: keine Kameras, aber noch immer W-LAN-Zugriff.

 

Jetzt nur kein unnötiges Risiko eingehen. Die Einmalhandschuhe überstreifen, den Laptop aus der Tasche holen, aufklappen, anschalten, in das W-LAN einloggen und den Post samt Video auf der Fatelogseite von Karski platzieren.

 

Normalerweise wäre er schon fertig gewesen. Aber er wollte das Timing nicht dem Zufall überlassen. Würde er es dabei belassen, könnte er unmöglich abschätzen, wann das Video entdeckt würde. Und ob es überhaupt ernst genommen, als echt angesehen würde. Er konnte seinen Account „Fatebug“ nicht mehr benutzen, der war mittlerweile von Fatelog gesperrt. Natürlich hatte er das vorausgesehen, sich einen weiteren Account besorgt, mit ähnlichem Namen zwar, aber eben nur ähnlich, ohne die Sicherheit, als neues Original anerkannt zu werden. Deshalb hatte er sich ein Zusatzprogramm überlegt, um den Vorgang zu beschleunigen. Sicherheit bezüglich des Zeitablaufes würde auch das Zusatzprogramm nicht schaffen, jedoch würde es die Wahrscheinlichkeit, dass der Post noch vor Beginn der neuen Woche entdeckt wurde, deutlich erhöhen.

 

Es tat ihm fast ein wenig leid, er würde den Ermittlern wahrscheinlich das Wochenende versauen, aber er musste jetzt sicher gehen, dass das Video binnen weniger Tage an die Öffentlichkeit kam. Denn während seiner nächsten, unmittelbar bevorstehenden Mission war er nur begrenzt handlungsfähig, konnte Material nur unter Inkaufnahme nicht akzeptabler Risiken veröffentlichen.

 

Deshalb hatte er noch zwei Mails vorbereitet. Eine für wenige ausgesuchte Redaktionen mit einem Hinweis, mit einem Rätsel, mit seinem Symbol. Eine für viele ausgesuchte Personen. Diese enthielt nur einen Aufruf „Weiter zu kämpfen. Für unsere Bewegung. Für unser Zeichen. Gegen die Hater. Gegen Fake News. Sie zu schlagen, nicht nur mit ihren Waffen. „Fatebug“ heißt jetzt „Faithback“. Bald gibt es mehr“. Und dann noch das Symbol.

 

Er rief die erste vorbereitete Mail auf, drückte auf Senden, dann die Zweite, senden und fertig. Noch nicht einmal fünf Minuten hatte er benötigt

 

Schließlich aktivierte er noch das Löschprogramm für die Festplatte und legte den noch arbeitenden Laptop auf die Rückbank, startete den Motor, ein Blick in den Seitenspiegel, den Blinker betätigen und sich vorsichtig in den Verkehr einfädeln. Jetzt nur keine Fehler machen. Der Tag war noch lang. Der Weg war noch weit.