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Fatebug - Tödliches Netzwerk 80

 

80.

 

 

 

Scheffer wir haben ein neues Rätsel bekommen“, rief Detlef Schmittke über den Flur. „Sammle ein paar Volontäre ein und komm mit ihnen in den großen Besprechungsraum.“

 

Keine drei Minuten später saß die Gruppe in einem Besprechungsraum des „Rheinischen Anzeigers“ zusammen und wartete gespannt auf das, was ihnen der Kollegen Schmittke erzählen würde.

 

Wir haben eine Mail bekommen, von einem Nutzer mit Namen „Faithback“. Die Nachricht lautet:

 

Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
denn ihrer ist das Himmelreich.

 

51 8 14 11.“

 

Dazu gab es drei Videos. Eines ist ein kurzer Zusammenschnitt eines Mordes, ähnlich denen in den alten Videos von diesem Fatebug. Nur kürzer. Sieht aber echt aus. Die anderen beiden Videos sind nur ganz kurz. Sie zeigen ein Tor zwischen hohen Hecken und eine Aufnahme von einem kleinen Häuschen, einer Art Gartenlaube. Sie können sich die Texte auf dem Server ansehen. Dort, wo auch die Materialien für unsere in Arbeit befindlichen Geschichten stehen. Sehen Sie sich das an und dann sprechen wir darüber. Ich bin in 5 Minuten zurück.“

 

Und das war er auch. Als er den Raum betrat, diskutierten die Anwesenden lebhaft. Nicht zusammen, nicht geordnet, sondern in kleinen Gruppen von zwei bis drei Personen. Vielleicht hätte er ihnen noch weitere fünf oder zehn Minuten geben sollen, aber er war einfach zu ungeduldig. Und zu eitel, denn er wollte dabei sein, wenn das Rätsel gelöst wurde. Am besten wäre, wenn er selbst darauf käme. Aber das hatte er ja schon versucht. Hatte den Spruch gegoogelt, die Zahlenkombination gegoogelt, sich die Videos wieder und wieder angesehen. Erst nach ungefähr einer Stunde hatte er eingesehen, dass er Hilfe brauchen würde und schweren Herzens nach Scheffer und den anderen Kollegen gerufen.

 

Na, wer hat schon war raus gefunden?“, versuchte er die Veranstaltung zu ordnen.

 

Die meisten blickten sofort zu ihm auf, einige wenige benötigten eine weitere Aufforderung.

 

Die Ziffernkombination könnte auf eine Bibelstelle verweisen“, schlug Thomas Scheffer vor.

 

Typisch“, dachte sich Schmittke. „Wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn ihm mal was Vernünftiges eingefallen wäre. Aber ruhig bleiben“.

 

Könnte sein, aber ich glaube das nicht. Der Bibelspruch steht ja schon im Klartext darüber. Matthäus 5. 10. Habe ich gegoogelt“, ergänzte Schmittke, als ihn zahlreiche Augenpaare erstaunt anstarrten.

 

Eine Telefonnummer vielleicht“, schlug einer der Voluntäre vor.

 

Prüfen Sie das doch bitte, zusammen mit ihrem linken Nebenmann“, ordnete Schmittke an. Er vermied es den Mann mit seinem Namen anzusprechen, da er ihn schlichtweg nicht kannte. Wie die der meisten Anwesenden. Er war meist außerhalb unterwegs und wenn er in der Redaktion war, mit dem Schreiben seiner Artikel beschäftigt. Wenn er nicht telefonierte oder in Redaktionskonferenzen saß. Die in der Konferenz sitzenden Kollegen kannte er allerdings. Die blieben ja länger als die Volontäre, deren Aufenthalt in der Redaktion immer nur von kurzer Dauer waren. Es gab keinen Grund, sich die Namen zu merken.

 

Er glaubte zwar nicht daran, dass es sich bei der Ziffernfolge um eine Telefonnummer handelte, konnte sich aber nicht sicher sein. Deshalb war er froh, dass sich Kollegen gefunden hatten, die das überprüfen würden. Diese aufwändige Recherche übernehmen könnten.

 

Also eine Idee hätten wir. Weitere Vorschläge?“, forderte er die Gruppe auf.

 

Der nächste Vorschlag ließ auf sich warten, gab ihm somit Gelegenheit selber nachzudenken. Die Zahlenkombination machte keinen Sinn. Natürlich hatte er auch schon die Transformation in Buchstaben versucht. Jeder Zahl den aufgrund seiner Position im Alphabet zugehörigen Buchstaben zugeordnet. Hatte sich auch von der „51“ nicht von diesem Versuch abbringen lassen. Es mit „5“ und „1“ oder „15“ versucht. Obwohl das von vorneherein aussichtslos, denn die letzten drei Buchstaben waren H, N und K. Alles Konsonanten. Diese Buchstabenfolge war durch nur einen Vokal nicht zu retten, nicht zu einem sinnvollen Wort zu ergänzen.

 

So kam er nicht weiter. Also versuchte er es mit den Videos. Das längere war kein Teil der Lösung. Da war er sich sicher, das war die eigentliche Botschaft, ein weiterer Mord. Aber diese beiden kürzeren Filme. Sie waren so kurz, er musste das Abspielen jeweils kurz nach dem Start stoppen, sonst war es schon vorbei, waren die Videos schon zu Ende. Sie zeigten ein Tor und eine Gartenlaube. Das schmiedeeiserne Tor stand zwischen zwei Hecken und versperrte den Weg in eine Gartenkolonie.

 

Das könnten Koordinaten sein“. Fast hätte er den Satz überhört, so war er in seinen Gedanken vertieft. Schmittke hatte zwar gar nicht mitbekommen, wer der Sprecher gewesen war, war sich aber sicher, dass der Kollege die Lösung gefunden hatte. Die Koordinaten verrieten den Ort, wo sich die Gartenkolonie befand. Und in der Laube, die das Video zeigte, war der lange Film aufgenommen worden, wurde der Mord begangen.

 

Das könnte es sein“, rief Schmittke in Gruppe. „Finden sie heraus, welcher Ort sich hinter den Koordinaten verbirgt. Wenn wir den Ort haben, wissen wir wo der Schrebergarten ist und wo der Mord begangen wurde. Schnell“.

 

Die Zeitungsmitarbeiter machten sich an ihren Laptops zu schaffen.

 

Er war überrascht, als einer der Kollegen schon nach weniger als einer Minute den Namen „Bischofswerda“ in den Raum rief.

 

Google Maps GPS“, sagte der Mitarbeiter, als Schmittke ihn fragend ansah.

 

Eine Kleinstadt in Sachsen, ungefähr 40 Kilometer östlich von Dresden“, ergänzte der Volontär als sich Schmittke´s Gesichtsausdruck in Richtung ungeduldige Wut veränderte.

 

Ich muss da sofort hin“, rief Schmittke in die Runde.

 

Das sind von Köln fast 600 Kilometer“, sagte der Volontär. „Heute schaffen sie das nicht mehr. Nicht vor Einbruch der Dunkelheit“.

 

Scheffer, wen kennen wir in der Gegend. Kannst Du das raus finden. Wir brauchen einen Ortskundigen, der uns helfen kann diese Gartenkolonie zu finden“, rief Schmittke in dessen Richtung. „Aber kein Wort um was es geht. Auch kein Bild. Das zeige ich ihm erst vor Ort. Besorg mir nur seine Nummer. Ich rufe ihn dann an. Und Frühaufsteher sollte er sein“.

 

Scheffer verließ den Raum.

 

Liebe Kollegen“, wandte sich Schmittke an die Gruppe. „Ich möchte noch betonen, dass niemand über das, was hier im Raum passiert ist, auch nur ein Sterbenswörtchen nach außen trägt. Wir haben die Chance auf eine einzigartige Story. Sollte uns das irgendjemand versauen, Gnade ihm Gott. Und vielen Dank. Gute Arbeit.“

 

Scheffer kam zurück und gab seinem Kollegen Schmittke einen Zettel.

 

Das ist die Nummer des Chefradakteurs des „Mitteldeutschen Anzeigers“. Das Blatt gehört zu unserem Verlag, Hauptstandort ist Halle. Der kann Dir sicher den Namen des Reporters der Lokalredaktion geben, in dessen Zuständigkeitsbereich Bischofswerda fällt. Du rufst ihn am besten selbst an. Damit er wohldosiert informiert wird“, sagte Scheffer begleitet von einem Augenzwinkern.

 

Die Gruppe begann sich gerade aufzulösen, als einer der Volontäre die Aufmerksamkeit wieder auf das Thema lenkte.

 

Was hat es eigentlich mit diesem Symbol auf sich, das in der Mail noch abgebildet war?“

 

Das hat er aus dem Markenzeichen von Fatelog gemacht“, erläuterte einer seine Kollegen. „Das ist ein weißes, kleines „t“ auf blauem Hintergrund. Er hat das „f“ einfach abgekürzt“.

 

So das es jetzt aussieht wie ein Kreuz“, ergänzte Schmittke. „Ein passendes Symbol für seinen Kreuzzug. Ich schätze, wir werden das noch öfters zu sehen bekommen“.

 

Woher weißt Du eigentlich, dass das kein Fake ist. Dass die Nachricht wirklich von Fatebug ist und nicht von irgend einem Spinner oder Trittbrettfahrer?“, fragte Thomas Scheffer den Redakteur.

 

Urin. Ich habe es im Urin“ antwortete Schmittke.