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Fatebug - Tödliches Netzwerk 82

 

82.

 

 

 

Da kam schon so etwas wie Wehmut auf, als Hauptkommissar Weissbach das Gebäude der Universität Hamburg betrat, in dem das Dekanat der Theologischen Fakultät untergebracht war. Er hatte zwar keine Theologie studiert, jedoch das Flair des Hochschulbetriebs hatte sich nicht verändert. Weissbach hatte eine Verabredung mit dem Leiter des Instituts für „Systematische Theologie“, Professor Franz Moser.

 

Was kann ich für sie tun, Herr Hauptkommissar?“, fragte der Professor seinen Besucher. „Ich glaube nicht, dass Sie etwas über systematische Theologie erfahren wollen“.

 

Wie Sie sich sicher denken können, komme ich wegen des Todes ihres Kollegen Professor Werner“, erläuterte der Hauptkommissar.

 

Aber das ist über ein halbes Jahr her und mein Kollege hatte Selbstmord begangen. Warum interessiert sich die Mordkommission dafür?“, fragte der Professor nach.

 

Wir vermuten, dass der Tod von Professor Werner mit der Mordserie in Zusammenhang steht, die derzeit in allen Medien präsent ist.“

 

Diesem Fatebug?“, fragte Professor Moser erstaunt nach.

 

Ja, das Hamburger Mordopfer in der Serie hat sich in den sozialen Netzwerken exzessiv in puncto der angeblichen Affäre ihres Kollegen mit einer seiner Studentinnen engagiert. Und da , wie sie wissen, Hass das Motiv für diesen Fatebug ist, müssen wir natürlich auch in Betracht ziehen, dass der Täter aus dem Umfeld ihres toten Kollegen kommen könnte. Hatte ihr Kollege neben der Familie Freunde, Kollegen oder Angestellte des Instituts mit denen er engere private Kontakte hatte?“, fragte Weissbach.

 

Wir sind hin und wieder zusammen mit den anderen Kollegen und den Damen unserer Geschäftszimmer etwas essen gegangen. Nach dem Dienst und vielleicht so ein – bis zweimal pro Jahr. Im Sommer oder zum Jahresende. Aber engere Kontakte zu Mitgliedern oder Angestellten der Fakultät hatte er meines Wissens nicht. Er hat sein Privatleben immer sehr privat gehalten.“

 

Was haben Sie und ihre Kollegen denn über die angebliche Affäre mit der Studentin gedacht?“, wechselte der Hauptkommissar das Thema.

 

Das kann ich Ihnen natürlich nur sehr pauschal beantworten. In den Gesprächen, an denen ich selbst teilgenommen habe, war der Tenor eigentlich eher der, dass man ihm das nicht zugetraut hatte. Aber es gab natürlich auch viel, nennen wir es, Getuschel. Mit einem nach meiner Ansicht differenzierterem Meinungsbild.“

 

Und wie steht es mit ihrem Glauben?“, fragte Weissbach nach. „Sie haben meine Frage noch nicht vollständig beantwortet“.

 

Ich denke schon“, antwortete der Professor. „Ich bin natürlich Teil der Fakultät“.

 

Es geht hier um Mord. Mehrere Morde“, insistierte Weissbach. „Wenn ich jetzt ihr Büro verließe, ginge ich nicht mit dem Gefühl, dass sie mir alles, was sie wissen, gesagt haben. Da ist mehr. Und ich werde das ausgraben. Mit allem Wirbel, der dazu notwendig ist“.

 

Schon gut“, unterbrach ihn Professor Moser. „Aber sie müssen mir versprechen, das diskret zu behandeln. Professor Werner war homosexuell. Er hat es mir in einem Gespräch gesagt, das wir, ausgelöst durch die Verleumdungen, geführt haben. Ich musste das Gespräch führen und damit offen gestanden nur etwas bestätigt, was ich schon vermutete. Das war wohl auch der Grund, weshalb er sein Privatleben so konsequent privat hielt. Seine Homosexualität war für mich kein Problem. Und wäre es auch sicher nicht für das Institut oder die Universität gewesen. Aber in der Öffentlichkeit hätte das sicher unschöne Effekte gehabt. Theologie und Homosexualität. Ein schlagzeilenträchtiges Thema“.

 

Ich verstehe“, antwortete Weissbach. „Wusste sonst noch jemand von der Homosexualität ihres Kollegen?“

 

Meines Wissens nicht. Aber was ich gesehen und vermutet hatte, könnten natürlich auch andere bemerkt haben“.

 

Und wenn nun dieser Wehmeier davon gewusst hat? In welche Hölle, in welchen Gewissenskonflikt hätte er den Professor gestürzt? Sollte, konnte er die Beziehung zur Studentin widerlegen, um den Preis, seine Homosexualität zu offenbaren?“, dachte sich Hauptkommissar Weissbach

 

Hatte der ermordete Student, Steffen Wehmeier, Kontakt zu ihrem Institut?“, fragte Weissbach.

 

Meines Wissens nicht“, antwortete der Professor. „Nein sicher nicht, denn ich habe das natürlich schon recherchieren lassen, als sich der Konflikt zwischen Professor Werner und diesem Wehmeier aufschaukelte. Aber das Institut für BWL ist ebenfalls auf dem Campus, in unmittelbarer Nähe unserer Institutsgebäude. Das Wehmeier Kontakt mit einem Mitarbeiter oder Studenten hatte, ist eher wahrscheinlich als ausgeschlossen“.

 

Danke“, sagte Hauptkommissar Weissbach. „Ich werde versuchen, zu verhindern, dass es publik wird. Versprechen kann ich Ihnen allerdings nichts. Die Ermittlungen gehen vor“.

 

Ich weiß“, antwortete Professor Moser. „Aber wir sollten auch versuchen, zu verhindern, dass zu den Morden noch ein posthumer Rufmord hinzukommt.“