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Fatebug - Tödliches Netzwerk 90

 

90.

 

 

 

Klaus Proff raste über die Hauptstrasse von Bischofswerda, Richtung Schrebergartenkolonie. Es hatte sie mehr Mühe als gedacht gekostet, die Beamten in Bewegung zu setzen. Der wachhabende Beamte empfing sie mürrisch und hörte ihnen nur widerwillig zu. Auch die Videos beeindruckten ihn nur wenig, er hatte von den ganzen Fälschungen gehört, die Zeitungen waren voll davon, dass mussten sie, so sagte er ihnen, als Reporter doch wissen. Erst als ein jüngerer Beamter sich zu ihnen gesellte und ihn davon überzeugte, dass eine Überprüfung ihrer Aussagen doch nichts schaden könnte, griff er zum Funkgerät und beorderte eine Streife zur Schrebergartenkolonie. Der Diensthabende wollte sie noch auf der Wache festhalten, brabbelte etwas von Protokoll und Sicherheit. Dann hatte Schmittke die rettende Idee. „Woher wissen ihre Kollegen denn, in welchem Gartenhäuschen sie nachsehen sollen?“ Das überzeugte den Beamten.

 

Sagen sie ihren Kollegen, sie sollen am Eingang warten. Wir fahren schnell hin und zeigen ihnen den Film. Dann sollten sie in der Lage sein, das richtige Gartenhäuschen zu finden“.

 

Damit sollte auch das Problem mit dem Zugang zur Kolonie erledigt sein.

 

Kurz nach 8:00 Uhr trafen sie wieder an der Kolonie ein. Sie stiegen aus und gingen auf die Beamten zu, Schmittke den Laptop unter dem Arm. „Hoffentlich machte Ewert Aufnahmen“, dachte er sich. Der Reporter begrüßte die Beamten, stellte sich zwischen sie, klappe den Laptop auf und zeigte ihnen das kurze Video mit der Datsche.

 

Als sich die Beamten in Richtung Eingangstor wandten, winkte Schmittke den Reporter heran.

 

Mittels eines Bolzenschneiders, den sie aus dem Kofferraum des Streifenwagens geholt hatten, knackten die Beamten das Vorhängeschloss und drangen in die Kleingartenanlage ein. Die Reporter folgten ihnen, blieben nur wenige Meter zurück.

 

Schnell hatten die Polizisten das auf dem Video zu sehende Häuschen gefunden. Das Törchen zum Grundstückseingang war unverschlossen und quietschte leicht, als es nach hinten schwang. Die Beamten gingen in Richtung Gartenhäuschen. Niemand sagte ein Wort, es herrschte Stille, abgesehen vom Knirschen der Schritte auf dem Kiesweg und dem schnarrenden Auslöser der Kamera.

 

Die Beamten gingen von Fenster zu Fenster, konnten aber wegen der geschlossenen Läden nichts sehen. Sollten sie unschlüssig gewesen sein, ob sie gewaltsam eindringen sollten, änderte sich dies, nachdem einer der Beamten seine Nase an das Schlüsselloch der Tür gehalten hatte. Angewidert zog er den Kopf zurück und rief seinem Kollegen zu: „Aufbrechen, da vermodert etwas“.

 

Ein kräftiger Tritt gegen das Schloss und die Tür sprang auf. Sofort rissen die Beamten die Hand vor die Nase und drehten sich instinktiv von der Tür weg.

 

Der Dauerauslöser der Kamera rasselte. Zu laut.

 

Zurückbleiben“, rief der zweite Polizist den Reportern zu, während sein Kollege sich anschickte, den Raum zu betreten.

 

Detlef Schmittke blickte den Reporter zornig an. Er hätte so gerne noch eine Aufnahme vom Inneren der Hütte gehabt. Musste der Trottel so einen Lärm machen?

 

Schon kam der Polizist wieder aus der Hütte, kreidebleich, die rechte Hand vor den Mund gepresst. „Dem können wir nicht mehr helfen“, rief er seinem Kollegen zu. „Informiere die Mordkommission und die Spurensicherung. Ich sperre den Eingang ab“.

 

Meine Herren“, wandte er sich nun an die Reporter. „Sie müssen die Anlage nun verlassen“.

 

Wir warten noch die Ankunft der weiteren Beamten ab“, schlug Schmittke vor. „Je mehr Polizisten auf den Bildern zu sehen sind, desto eindrucksvoller wird der Fall. Gehen wir zum Auto.“

 

Sie warteten keine Viertelstunde lang, dann standen drei Streifenwagen, zwei zivile Einsatzfahrzeuge, sowie ein Kombi der Spurensicherung und ein Leichenwagen vor der Kleingartenanlage. Zusammen mit den zahlreichen vor dem Eingang stehenden Beamten gaben sie ein eindrucksvolles Zeugnis, dass hier etwas von Relevanz geschehen sein musste. Das war die Botschaft, die Detlef Schmittke haben wollte.

 

Haben sie eigentlich eine Kamera dabei?“, fragte er den Lokalreporter.

 

Nein, aber mit meinem Handy kann ich Aufnahmen machen“, war die Antwort.

 

Gut“, sagte Schmittke. „Dann fahren der Kollege Ewert und ich jetzt nach Dresden in die Redaktion. Dort fangen wir schon mal mit dem Artikel an. Sie bleiben hier, bis sie die Leiche abtransportieren. Davon brauchen wir noch ein Foto. Wenn sie das haben, schicken sie es uns und kommen nach. Sofern sich hier nichts Wichtiges mehr ergeben sollte“.

 

Während der Fotograf den Wagen nach Dresden lenkte, hämmerte Schmittke schon den ersten Entwurf des Artikels in den Laptop.

 

Heute war zwar Samstag, die nächste Ausgabe des Anzeiger erschien planmäßig erst am Montag. Aber der Verlag hatte ein Boulevardblatt, mit einer ersten Ausgabe am Samstagabend und einer auflagenstarken Sonntagsausgabe. An diese würden sich die Leser und der Verlag lange erinnern.