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Fatebug - Tödliches Netzwerk 91

 

91.

 

 

 

Hier konnte er abschalten. Hoffentlich. Er saß, seinen Sohn neben sich, mit mehr als 50.000 Gleichgesinnten im Stadion. Zwei Spiele hatte er in dieser Saison schon verpasst, die Karte seinem Nachbarn überlassen müssen. Immerhin kam auf diese Weise wenigstens sein Sohn regelmäßig ins Stadion. Sie liebten den FC, freuten sich auf das Spiel. Gut, der heutige Gegner, der FC Augsburg ließ nicht gerade ein Schlagerspiel erwarten, aber ein hoher Sieg würde ja auch reichen.

 

Bis zum Anpfiff war es noch etwas hin, sie waren wie immer frühzeitig da gewesen, hatten noch eine Bratwurst gegessen und Getränke gekauft. Ein Bier für ihn, eine Cola für seinen Sohn.

 

Seine Frau sah das nicht gerne. Er würde noch fahren müssen und ihr Sohn sollte möglichst keine Cola trinken. Aber das war ihm heute egal. Er hatte sich so auf den Nachmittag gefreut. Endlich mal raus, raus aus dem Büro und weg aus dem Job.

 

Doch mit dem Abschalten klappte es heute nicht so ganz. Immer wieder schweifte sein Blick durch das gut gefüllte Rund des Stadions. Der Anblick von 50.000 Besucher erinnerte ihn ständig an den Fall. 50.000 Menschen. So viele Personen, so war zumindest seine Vorstellung, würden sie wahrscheinlich überprüfen müssen, um überhaupt in die Nähe des Täters zu kommen. Das war abstrakt schon eine deprimierende Anzahl, aber wenn das so anschaulich wurde, wie hier im Stadion, war es die Hölle.

 

Gott sei Dank, riss ihn der Ansager aus seinen trüben Gedanken. Hymne, noch etwas Vorfreude und dann ging es los.

 

War das sein Handy gewesen? Er war sich nicht sicher, bei dem Lärm im Stadion konnte er sich verhört haben. Hauptkommissar Faber fingerte in seiner Jackentasche nach seinem Mobiltelefon und aktivierte die Anrufliste. Tatsächlich, ein verpasster Anruf, eine Nachricht auf der Mailbox. Er versuchte sie anzuhören, aber bei dem Lärm war nicht viel zu verstehen. Der Anruf musste wichtig gewesen sein. Laut der Liste der verpassten Anrufe war Kommissar Marten der Anrufer. Marten wusste um die Bedeutung des Samstagnachmittags für ihn, insbesondere an Samstagen mit Heimspielen des 1. FC Köln.

 

Also entschuldigte er sich bei seinem Sohn und wiederholt bei den genervten Fans, als er sich einen Weg erst durch die Reihen und dann unter die Tribüne bahnte, um dort, in ruhigeren Gefilden, die Nachricht abhören zu können.

 

Man hat ein weiteres Opfer gefunden. Bitte ruf mich möglichst umgehend an“, hörte er Marten Stimme aus der Aufzeichnung tönen. Und es war noch nicht einmal Halbzeit.

 

Umgehend aktivierte Hauptkommissar Faber die Anruffunktion aus der Rufnummernliste und meldete sich bei seinem Gesprächspartner mit einem „Hallo, was gibt es?“, sobald dieser den Anruf angenommen hatte.

 

Wir haben eine weitere Leiche“, erläuterte Kommissar Marten. „In Bischofswerda. Wie es aussieht eindeutig Fatebug zuzuordnen. Aufgeschlitzt und auch alle weiteren Details scheinen zu stimmen. Das Opfer wurde heute Morgen in seiner Gartenlaube entdeckt“.

 

Wo?“, fragte Faber nach.

 

In der Gartenlaube“, wiederholte Marten.

 

Nein, der Ort“, korrigierte Faber.

 

In Bischofswerda, das sagte ich doch schon. Das liegt etwa 50 Kilometer östlich von Dresden. Und so leid es mir tut, ich denke, Du musst da umgehend hin“.

 

Wann geht der nächste Flieger?“, fragte Faber.

 

Heute geht da nichts mehr. Wochenende. Ich schicke Dir einen Wagen und einen Fahrer nach Hause.“

 

OK. Er soll um 18:00 Uhr bei mir sein. Bitte sag den Kollegen in Dresden noch Bescheid. Ad eins will ich den zuständigen Kollegen noch heute Abend sprechen und dann brauchen wir noch Hotelzimmer vor Ort. Für den Fahrer und mich. Und alles was wir haben, mailst Du mir bitte zu. Ich melde mich dann spätestens morgen zur verabredeten Telefonkonferenz“.

 

Mach ich. Soll ich Frau Garber auch noch informieren?“, fragte Marten noch nach.

 

Ja, aber wir belassen es beim verabredeten Dienstplan. Es reicht, wenn wir uns morgen früh abstimmen. Ich fürchte ich weiß schon, was ich heute noch erfahren werde.“ Dann beendete er das Gespräch und rief seine Frau an.

 

Ich bin es. Schlechte Nachrichten, ich muss heute Abend noch nach Dresden. Nein, ich bringe den Jungen gleich noch nach Hause. Bitte pack mir doch die Tasche, dann kann ich mit unserem Kleinen noch etwas hier bleiben. Für höchstens drei Tage. Ich melde mich noch einmal, wenn wir unterwegs sind“.

 

Er schaffte es gerade vor der Pause noch rechtzeitig zurück zu seinem Platz. Es stand noch 0:0, sein Sohn war entsprechend enttäuscht. Als er ihm zu Beginn der Pause mitteilte, dass sie nur noch bis 17:00 Uhr, also eine Viertelstunde vor Spielende, bleiben konnten, war seine Enttäuschung noch größer.