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Fatebug - Tödliches Netzwerk 108

 

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Wir sollen also nach einem Phantom in Frankfurt suchen?“, sagte Hauptkommissar Strecker zu seinem Kollegen Warnecke auf ihrer Fahrt über die A3 Richtung Frankfurt. Sie näherten sich schon dem Wiesbadener Kreuz und würden, sofern der Verkehr keine bösen Überraschungen für sie bereithielt, in weniger als 30 Minuten bei ihren Kollegen im Frankfurter Präsidium sein.

 

Hauptkommissar Faber hatte die Sonderkommission im Rahmen einer Telefonkonferenz über die in München gewonnenen Erkenntnisse informiert.

 

Sehen sie es doch als Abwechslung an“, hatte er Strecker und Warnecke vorgeschlagen, nachdem er ihnen erklärt hatte, dass sie die Frankfurter Kollegen vor Ort unterstützen sollten. Frau Garber wollte er nicht schicken, wer weiß, wie es die Frankfurter Kollegen empfinden würden, wenn eine LKA-Beamtin aus einem fremden Bundesland sie bei der Untersuchung begleitet. Er selbst hing noch eine Weile in München fest. Da lag die Idee der kollegialen Unterstützung durch die beiden rheinischen Beamten auf der Hand.

 

Nachdem wir viele Tage überhaupt nicht wussten, wonach wir suchen, wissen wir jetzt endlich mal, wonach wir fragen können. Das ist doch schon mal ein Fortschritt. Ob uns das zum Täter führt, wissen wir natürlich nicht. Aber zumindest haben wir den Hauch einer Spur“, hatte er sie zu motivieren versucht.

 

Ausgerüstet mit einigen Fotos waren sie nun unterwegs um im früheren beruflichen und privaten Umfeld von Frau Tenzel nach dem ominösen Freund zu suchen.

 

Am Polizeipräsidium ließen sie ihren Wagen stehen, machten sich schnell mit den Frankfurter Kollegen Schramm und Will bekannt und bildeten zwei Duos. Schramm und Warnecke sollten im Umfeld der letzten Wohnung von Frau Tenzel in Rödelheim nach Informationen suchen, Strecker und Will fuhren nach Bockenheim, zu ihrer letzten Arbeitsstelle.

 

Nachdem sich die beiden am Empfang legitimiert hatten, baten sie um einen Gesprächspartner aus der Personalabteilung. Wenige Minuten später wussten sie, dass Frau Tenzel zwei Jahre als Grafikerin in der Firma gearbeitet hatte und waren auf dem Weg in die entsprechende Abteilung, um ihre ehemaligen Arbeitskollegen zu interviewen. Die Ausbeute war ernüchternd. Zwar konnten sich die meisten der ehemaligen Kollegen noch gut an Frau Tenzel erinnern, was nicht schwer war, da sie eine außergewöhnlich hübsche Frau gewesen war. Leider hatte sie aber keine privaten Kontakte zu Mitarbeitern der Agentur, im Gegenteil, die Ex-Kollegen berichteten einhellig, dass sie ihr Privatleben konsequent privat hielt. Ohne Erkenntnisse, lediglich noch von der Hoffnung begleitet, dass zwei ehemalige Kollegen, die die Firma mittlerweile verlassen hatten, noch etwas wissen könnten. Ausgestattet mit den letzten bekannten Adressen der beiden ehemaligen Mitarbeiter saßen die Ermittler in ihrem Fahrzeug mitten im Frankfurter Berufsverkehr fest. Kommissar Will nutzte die Zeit, um die aktuellen Adressen der beiden Männer ermitteln zu lassen. Der eine wohnte in Sachsenhausen in der Textorstrasse, der zweite war vor knapp einem Jahr nach Köln verzogen. Zum ersten waren sie jetzt unterwegs, einmal quer durch den Frankfurter Feierabendverkehr, den zweiten würde Hauptkommissar Strecker morgen in seiner Heimat aufsuchen.

 

Glücklicherweise trafen sie den Gesuchten an, weiterhelfen konnte er ihnen nicht. Zu Frau Tenzel hatte er nur berufliche Kontakte gehabt, über ihr Privatleben wusste er nichts, über ihre Männer schon gar nichts.

 

Zurück im Präsidium trafen sie auf das andere Duo, das seine Runde ebenfalls schon beendet hatte. Sie hatten die Wohnungen rund um die letzte Adresse der Toten in Frankfurt, der Josef-May-Straße abgeklappert, an zahllosen Türen geklingelt, gefragt wie lange die Bewohner schon dort lebten, ob sie sich an eine Frau Tenzel erinnern konnten und das Bild herumgezeigt. Nach dem Betrachten des Bildes kam bei einigen Bewohnern, insbesondere Männern, ein schwaches Erinnern auf, einige wenige meinten sich sogar an Herren zu erinnern, die sie mit der Frau gesehen hatten. Doch wenn man die Beschreibungen der vermeintlichen Begleiter verglich, stimmten keine zwei Beschreibungen auch nur annähernd überein. Entweder Frau Tenzel hatte eine umfangreiche Schar von Begleitern oder die Beschreibungen waren einfach nicht zu gebrauchen. Beide Optionen würden ihnen bei der Fahndung nicht weiter helfen.

 

Warnecke und Schramm hatten dann auch noch in Läden und Restaurants im näheren Umfeld nachgefragt, hatten aber auch von denen nichts Brauchbares mitgebracht.

 

In Frankfurt lebende Familienangehörige oder Freunde waren nicht bekannt. Letztlich fuhren die Beamten Strecker und Warnecke mit leeren Händen zurück nach Meckenheim. Aber sie waren nicht nur deshalb frustriert. Sie sprachen nicht darüber, aber sie wussten es beide. „Wer sagt es Ihnen?“, fragte Warnecke schließlich.

 

Wenn es diplomatisch geschehen soll, sollten Sie das übernehmen“, antwortete Strecker.

 

Selbstironie als Galgenhumor“, dachte sich Warnecke und ließ den Bordcomputer die Nummer der Sonderkommission in Meckenheim wählen.

 

Kommissar Marten“, ertönte dessen Stimme aus der Freisprecheinrichtung.

 

Guten Abend, Herr Kommissar“, antwortete Warnecke und gab Marten einen kurzen Überblick über ihren Besuch in Frankfurt. Er schloss seinen Bericht mit einer Frage. „Ihr wisst, was das bedeutet?“.

 

Als Kommissar Marten nicht gleich antwortete, ergänzte er. „Unsere Theorie, dass wir vornehmlich Vorfälle im Rheinland untersuchen sollten, ist nicht mehr haltbar. Die Grundannahme stimmt, aber eine lokale Eingrenzung macht nun keinen Sinn mehr. Nicht nach der Tat im Allgäu, dem Selbstmord in München und potentiellen Spuren nach Frankfurt oder sogar nach Köln.“

 

Wir sollen morgen früh entscheiden, ob wir die Suche im größeren Umfeld fortsetzen oder abblasen. Bis dahin lasse ich mal ein paar Zahlen als Orientierungsgrößen ermitteln. Gute Heimfahrt“. Dann legte Marten auf.