· 

Fatebug - Tödliches Netzwerk 113

 

113.

 

 

 

Wir sollten Ihnen etwas anbieten“, schlug Frau Dr. Barwinski den Geschäftsführern der deutschen und der europäischen Niederlassung von Fatelog vor. Frau Dr. Barwinski und Dr. Gassmann saßen in Dr. Barwinskis Büro in der Nähe des Potsdamer Platzes, Roger McFarlane war telefonisch zugeschaltet.„Sie haben die heutigen Zeitungen gelesen. Es hat wieder zahlreiche gewalttätige Angriffe auf Nutzer gegeben. Wir müssen auch etwas tun, um unsere eigenen Nutzer zu schützen. Die Staatssekretärin hat die Situation vollkommen richtig eingeschätzt. Ich habe mit einigen uns gewogenen Abgeordneten und Regierungsmitgliedern gesprochen, auf Bundes- und auf Landesebene, momentan wird uns niemand unterstützen. Keiner traut sich aus der Deckung“.

 

Die Forderungen der Deutschen sind unannehmbar“, sagte McFarlane.

 

Gerade deshalb müssen wir selbst einige Maßnahmen vorschlagen. Sonst reden wir nur über die Vorschläge der Regierung, müssen uns verteidigen, begründen warum wir das nicht wollen oder können. Wenn wir eigene Vorschläge auf den Tisch legen, können wir die Verhandlungen eher in die Diskussion über ein Für und Wider einzelner Maßnahmen lenken“, sagte Dr. Gassmann.

 

Sie genossen es beide einmal nicht diejenigen zu sein, die unter Druck gesetzt wurden. Diese Rolle kam nun McFarlane zu.

 

Aber was wir selbst auf den Tisch legen, werden wir umsetzen müssen. Zumindest das“, gab McFarlane zu bedenken. „Nun gut, unsere amerikanischen Freunde denken schon seit längerem darüber nach ,die Regeln flexibler zu gestalten, es den einzelnen Nutzern, Nutzergruppen oder auch Ländern zu ermöglichen eigene Regeln einzustellen. Damit würden wir den Behörden eine Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden und zu steuern, was für ihre Bürger gut ist und was nicht. Dann werden sie selbst merken, wie schwer das ist. Was man investieren muss, um eine derart große Gemeinschaft zu steuern. Ohne clevere Algorithmen ist das nämlich nicht zu schaffen. Das erfahren nicht nur wir. Darunter leiden im Prinzip alle Medien, selbst die Zeitungen leiden unter den Trollen.“

 

Trolle?“, unterbrach ihn Dr. Gassmann.

 

Als Trolle“, erklärte McFarlane, „bezeichnet man Menschen die sich beleidigend oder pöbelnd im Internet in Diskussionsforen oder den sozialen Netzwerken herumtreiben. Das frustriert die ernsthaft an den Themen oder Informationen interessierten Nutzer. Die bleiben dann weg, der Traffic sinkt und die Plattform verliert an Wert. Nur mal ein Beispiel. Die New York Times beschäftigt mehr als ein Dutzend Mitarbeiter die tagein- tagaus nichts tun, als die Leserkommentare auf unerwünschte Äußerungen untersuchen. Tagtäglich gehen dort über 10.000 solcher Kommentare ein. Da können sie sich vorstellen, um wie viel größer die Menge der Posts auf Fatelog ist. Und nur mit simplen Filtern ist das nicht zu automatisieren. Die Trolle sind ja nicht doof, die variieren ihre Formulierungen. Da muss der Analysealgorithmus erkennen. Er muss quasi kontinuierlich dazulernen. Eigenständig. Wir arbeiten an solchen Algorithmen, die selbstlernend sind. Aber wir müssen aufpassen. Die Funktionalität ist derzeit noch nicht verfügbar. Entsprechende Pläne sollten eigentlich frühestens im ersten Quartal des nächsten Jahres vorgestellt werden. Aber ich habe mich rückversichert. Wenn uns die Behörden Diskretion zusagen, können wir die Funktionen in Aussicht stellen. Für das vierte Quartal des nächsten Jahres.“

 

In Aussicht stellen, wird nicht reichen“, konterte Frau Dr. Barwinski. „Das hat man uns sehr klar zu verstehen gegeben“.

 

Dann sagen sie das einfach zu. Aber nicht vor Q4 des nächsten Jahres. Wenn es sich verzögert oder doch anders kommen sollte, haben wir später vielleicht ein Problem. Aber dann ist auch die Situation vielleicht eine andere. Irgendwann müssen sie diesen Irren ja fassen. Dann ist das Thema weniger präsent, der Druck geringer und unsere Position besser. Mit den Versprechungen aus dem Frühjahr haben wir ja auch lange Zeit überstanden und wenn die Morde nicht losgegangen wären, wäre immer noch Ruhe“, schlug McFarlane vor.

 

Und was ist mit der beschleunigten Bearbeitung von Anträgen?“, fragte Dr. Gassmann nach.

 

Die Themen hängen doch zusammen. Landesspezifische Regeln vermindern die Anzahl von Verstößen und somit die Anzahl von Beschwerden. Sind es trotzdem zu viele, sind die Regeln schlecht gemacht. Und die machen wir ja nicht mehr, sondern die Behörden“, erläuterte McFarlane.

 

Moment“, mischte sich Frau Dr. Barwinski ein. „Mit den Regeln kann man vielleicht das Thema Hass-Postings entschärfen. Aber Fakenews wird man nicht durch eine Handvoll Regeln erkennen oder unterbinden können.“

 

Ja, das braucht andere Mittel. Aber wir können uns erst mal auf die Position zurückziehen, dass man von uns nicht verlangen kann, zu ermitteln und zu entscheiden, was Fakenews und was Fakten sind. Das schaffen ja noch nicht einmal die etablierten Medien. Wir arbeiten an Künstlicher Intelligenz, die dabei helfen kann“, erklärte McFarlane..

 

Künstliche Intelligenz? Wie soll das denn funktionieren?“, fragte Dr. Gassmann.

 

Das zu erklären würde zu weit führen. Und ob und wann das anwendbar ist, kann man jetzt noch nicht sagen. Mehr haben wir nicht anzubieten. Damit müssen sie auskommen“, sagte McFarlane.