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Fatebug - Tödliches Netzwerk 115

 

115.

 

 

 

Kurz vor 8:00 Uhr lag er wieder auf der Lauer, hatte wieder einen guten Platz für seinen Kleinbus gefunden. Mit perfekter Sicht. Nun hieß es warten. Last oder Lust des Jägers, je nach Betrachtungsweise. Es war wieder ein schmuddeliger Morgen, mit Wind und Regen, mit allem, was zu einem tristen Novembertag gehört. Der Regen wurde so stark, dass er hin und wieder den Scheibenwischer auslösen musste. Auch wenn das ein Risiko war, gab er doch allen Passanten damit einen Wink, dass jemand in dem Fahrzeug saß. Unglücklicherweise wurde ihm auch noch kalt. Er hatte sich nicht dick genug angezogen. Ein Auslieferer musste sich viel bewegen, ein- und aussteigen, viele Treppen rauf oder runter laufen und meistens ein Paket unter dem Arm. Aber an eine Decke hätte er denken können. Ärgerlich, denn Perfektion war ihm wichtig.

 

Immer wieder blickte er auf die Uhr. Er gehörte wohl nicht zur Spezies der Jäger, Warten war ihm eher lästig. Es war ein Mittel zum Zweck, ein notwendiges Übel beim Jagen. Eigentlich war er gar kein Jäger, Töten machte ihm keinen Spaß, das musste er ja mittlerweile wissen. Er tötete nicht um des Tötens willen, sondern weil er damit etwas auslösen, etwas erreichen wollte. Und das funktionierte.

 

Da. Die Tür ging auf, Kleefisch trat auf die Straße, wandte sich nach links, wie immer.

 

Er setze sich die Basecap auf, griff nach hinten und legte ein Paket auf den Beifahrersitz, vergewisserte sich, dass Lappen und Fläschchen in seiner rechten Jackentasche waren. Er war bereit.

 

Kleefisch war zuverlässig, kam wie erwartet nach 5 Minuten wieder zurück, den Mantelkragen hochgeschlagen, versuchte die Papiertüte mit den Brötchen unter der linken Achsel vor der Feuchtigkeit zu schützen.

 

Jetzt kam es auf das perfekte Timing an. Er musste kurz bevor Kleefisch den Hauseingang erreichte direkt hinter ihm sein. Was für ein dummer Fehler, er hatte auf der falschen Straßenseite geparkt, musste die Strasse überqueren um zur Haustür zu gelangen. Was wenn ein oder mehrere Autos kamen und ihn daran hinderten die Strasse zu überqueren?

 

Er öffnete die Wagentür, zog die Kappe nochmals tiefer in das Gesicht, griff sich das Paket. Ein Blick nach links, dann nach rechts und nochmals nach links, wie gelernt. Die Straße war frei, er huschte hinüber, reihte sich perfekt hinter Kleefisch ein. Kleefisch erreichte die Tür, fingerte in seiner Tasche nach dem Schlüssel. Er stand direkt hinter ihm, Kleefisch spürte das und drehte sich um. Er lächelte Kleefisch an, Kleefisch lächelte zurück.

 

Dann verließ seine Hand die Hosentasche. Mit einem Schlüssel zwischen den Fingern. Kleefisch schloss die Tür auf, drehte sich um und deutete ihm an, vorauszugehen. Er nahm das Angebot an, revanchierte sich aber gleich und ließ Kleefisch wieder passieren. Das war ein Fehler. Kleefisch sprintete mit ungeahnter Geschwindigkeit die Treppen herauf. Zu schnell für ihn. Nicht das er nicht genügend Sport getrieben hatte, ihm nicht hätte folgen können. Aber das wäre zu auffällig gewesen. Kleefisch wäre es aufgefallen. Er hätte sich gewundert, sich umgedreht, wäre auf den Angriff vorbereitet gewesen, hätte ihn kommen sehen.

 

Das war zu riskant. Abbruch.

 

Als er an Kleefischs Haustür vorbeikam, war die Tür schon geschlossen, Kleefisch war bereits in seiner Wohnung verschwunden.

 

Er ging an der Tür vorbei, stieg auch noch die Stufen bis zur obersten Etage hoch, wartete dort eine Minute und stieg die Treppe wieder herab. Das Paket noch unter dem Arm. Er würde morgen einen neuen Zustellversuch unternehmen.