· 

Fatebug - Gefährliches Netzwerk 127

 

127.

 

 

 

Obwohl er instinktiv damit gerechnet hatte, war er nicht schlecht überrascht, als die Wohnungstür mit einem lauten Bersten aufsprang. Blitze zuckten, warum konnte er nicht sehen, da er mit dem Rücken zum Flur stand. Als er sich umdrehte, konnte er erkennen, wie sich dichter Qualm im Flur ausbreitete.

 

Glück gehabt“, dachte er. Glück, weil er sich nicht lange mit der Untersuchung von Kleefischs Wohnung aufgehalten hatte. Obwohl es immer sehr verlockend war, sich ungestört in anderen Wohnungen umzusehen, darauf hoffend vielleicht Dinge über die Bewohner zu erfahren, die man sich nicht hat vorstellen können, hatte er der Versuchung widerstanden. Er war zwar durch die Wohnung gestreift, hatte dabei aber nur gezielt nach einem Operationstisch Ausschau gehalten. Es war eine schöne Wohnung, ein großer Flur, rechts zur Straße hin zwei große Zimmer, die Kleefisch offenbar als Wohn- und Arbeitszimmer nutzte. Gleich links hinter der Wohnungstür der Eingang in ein kleines Bad. Daneben eine kleine Küche und hinten links, am Ende des Flurs noch eine weitere Tür, die in ein geräumiges Schlafzimmer führt. Aber kein geeigneter Tisch. Der Küchentisch war zu klein, der Couchtisch zu niedrig und der Schreibtisch hatte nach hinten eine fest auf die Tischplatte montierte Ablage. Also blieben nur der Fußboden und das Bett als Optionen. Er entschied sich für letztere, hatte den Bewusstlosen durch den ganzen Flur gezogen, ihn auf das Bett gewuchtet, ihn auf den Rücken gedreht und Hände und Füsse an die Bettpfosten gefesselt. Das war schwieriger gewesen als er gedacht hatte, er war sich nicht sicher, ob die Fixierung ausreichend fest sein würde. Daher hatte er Kleefisch eine zusätzliche Dosis Betäubung verabreicht. Verdient hatte er es nicht, aber es würde nachher sicher noch weh genug tun. Nach dem Eingriff.

 

Routiniert hatte er wieder die Kamera aufgebaut, das Werkzeug bereit gelegt und hatte sofort begonnen.

 

Und glücklicherweise war er bereits fertig, als die Tür aufsprang und die Blitze zuckten. Und glücklicherweise hatte er auch einen Fehler gemacht. Das Bett war als Untergrund für die Operation doch nicht so geeignet gewesen. Es hatte plötzlich nachgegeben, als er sich mit dem Ellbogen abstützen musste. Der Schnitt war ihm entglitten, er hatte offenbar mehr Blutgefäße beschädigt als vorgesehen. Jedenfalls ließ der unerwartet starke Blutaustritt dies befürchten. Hatte er sich anfangs über seinen Fehler geärgert, weil dies Kleefischs Leiden verkürzen würde, war er jetzt froh, weil sein Fehler Kleefischs Chancen verringerte.

 

Doch jetzt musste er sich um seine Chancen kümmern. Natürlich ging es nicht mehr um das Entkommen, dazu hatte er keine Chance mehr. Es ging nur um das Überleben. Und überleben wollte er. Nicht das ihm das so viel bedeutete hätte, das Weiterleben. Aber wenn er weiter lebte, würde es einen Prozess geben. Und der Prozess würde dafür sorgen, dass das Thema weiter auf der Tagesordnung blieb, was ganz in seinem Sinn war.

 

Er warf sich auf den Boden, streckte die Hände vom Körper weg und wartete. Es dauerte nicht lange, bis erste Lichtkegel sich ihren Weg durch den Qualm bahnten, dann kamen dunkle Gestalten durch die Tür. Heftig rufend. Die Worte konnte er nicht verstehen. Dann spürte er, wie ihm die Hände auf den Rücken gerissen wurden, etwas seine Handgelenke einschnürte, etwas heftig auf seinen Rücken drückte. „Wahrscheinlich ein Knie“, dachte er sich.

 

Einen Arzt, einen Arzt“. Das waren die ersten Worte, die er verstehen konnte.

 

Dann wurde er an beiden Achseln und Oberarmen gepackt, hochgerissen und aus der Wohnung geschleift. Etliche Gestalten, in dunklen Kampfuniformen, standen im Flur. Im Qualm nur diffus erkennbar. Je näher sie zur Tür kamen, er und seine beiden Begleiter, desto weniger dicht wurde der Qualm.

 

Erst im Treppenhaus wurde es klarer, die Sicht und auch seine Gedanken. „Wie mögen sie mich gefunden haben“, dachte er, als er angerempelt wurde. Von einem Notarzt, verfolgt von zwei Sanitätern, die sich an ihm und den Vermummten vorbei in Richtung Haustür drängelten.

 

Sie brachten ihn weiter die Treppe herunter, führten ihn durch die Haustür auf die Straße. Unglaublich, wie viele Menschen hier draußen waren, die meisten Polizisten in Uniform. Zumindest die in der Nähe stehenden Personen waren bis auf einige wenige Personen alle in Uniform. Auch hier draußen zuckten Blitze, blaue von den Alarmsignalen auf den Einsatzfahrzeugen, grelle helle aus weiterer Entfernung, wahrscheinlich von Kameras. Viel Gelegenheit, sich umzuschauen, hatte er nicht, er wurde gleich in einen Transportwagen der Polizei verfrachtet. Zusätzlich zu seinen beiden Begleitern, die auch im Transporter links und rechts von ihm Platz nahmen, stiegen drei weitere Uniformierte zu, die sich auf die gegenüberliegende Bank setzten. Dann schlossen die Türen und das Fahrzeug setzte sich in Bewegung.