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Fatebug - Tödliches Netzwerk 18

 

18.

 

 

 

Um kurz nach 9:00 Uhr standen sie vor einer Wohnungstür neben dem Eingang von „Harry´s Schenke“ in der Herler Straße. „Donner/Beu“ stand auf dem Schild der Klingel, deren Taste Max Lohr betätigte. „Ja bitte“, tönte es nach einiger Zeit aus der Gegensprechanlage. „Hier ist Max Lohr. Von der Polizei. Wir haben gestern Nachmittag in der Gaststätte miteinander gesprochen. Meine Kollegen und ich haben noch einige Fragen. Könnten Sie uns hereinlassen? „Einen Moment“, antwortete Frau Beu. Schweigend warteten die drei Beamten vor der Eingangstür bis nach einigen Minuten ein Summen ertönte und ihnen die Gelegenheit zum Eintreten gab. „Guten Morgen. Kommen Sie bitte hier herüber“, rief ihnen Frau Beu vom Ende eines Flurs entgegen. Sie folgten ihr in einen spärlich eingerichteten, aber sauberen und aufgeräumten Wohnraum, wo sie, ihrer Aufforderung nachkommend, an einem Tisch Platz nahmen.

 

Max Lohr stellte ihr seine beiden Begleiter vor.

 

Frau Beu“, begann der Kommissar die Unterhaltung, „haben Sie zwischenzeitlich etwas von ihrem Freund gehört“? „Nein, leider nicht“, antwortete sie. „Wir haben leider mittlerweile neue Erkenntnisse gewonnen, die den Schluss nahelegen, dass es sich bei der gefundenen Person um Moritz Donner handeln könnte. Es gibt noch keine Gewissheit, aber wir müssen das Schlimmste befürchten.“ Oh Gott, wie er diese Momente hasste. Man konnte das weder lernen, noch half die Erfahrung, um nur annähernd auch nur einmal das Gefühl zu bekommen, es nicht versemmelt zu haben. Wahrscheinlich hatte er viel zu schnell gesprochen, getrieben von dem Wunsch es möglichst zügig hinter sich zu bringen, schnell zu dem letzten Satz zu kommen, der alles relativiert, die Katastrophe in Hoffnung verwandelt. Wütend war er auch auf Strecker, denn der hatte ihm wieder den unangenehmen Job überlassen, sich nicht bemüßigt gefühlt, das Wort zu ergreifen, nachdem nach der Begrüßung das Schweigen hereinbrach und sie sich alle nur verunsichert anstarrten. Sicher das Überbringen von schlechten Nachrichten war Teil des Jobs, sie hatten das auch in der Ausbildung gelernt und geübt, aber gewisse Dinge ließen sich nicht simulieren, zu groß war der Einfluss der Gefühle in diesen Situationen.

 

Kann ich ihn sehen?“ Es dauerte einige Sekundenbruchteilen bevor er die Worte, die ihn aus seinen Gedanken rissen, zuordnen konnte.

 

Natürlich“, stammelte er. „Wie müssen sie sogar bitten, sich die Leiche anzusehen. Um ihn zu identifizieren. Noch wissen wir ja nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, ob er es überhaupt ist“. War das noch nötig gewesen, war das fair hier nochmals Hoffnung zu schüren, obwohl sie sich mit dem Tod ihres Partners schon abgefunden zu haben schien? Schon wieder versemmelt?

 

Wir bitten Sie, heute Nachmittag in die Gerichtsmedizin zu kommen. Wann würde es ihnen in etwa passen?“

 

Er kann ja doch sprechen“, dachte Max Lohr sarkastisch, nachdem sich Hauptkommissar Strecker offenbar entschlossen hatte, sich doch noch an dem Gespräch zu beteiligen.

 

Sie wissen sicher, dass ihr Freund ermordet wurde. Hatte er Feinde?“ Strecker hatte es offenbar eilig, zumindest kam er sofort zur Sache.

 

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Moritz war zwar nicht gerade ein Lamm. Sagte, was er meinte und das meist ziemlich deutlich. Aber das ihn deshalb jemand umgebracht hätte. Nein, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen“, antwortete Frau Beu.

 

Was waren das denn für Auseinandersetzungen?“, hakte Max Lohr nach.

 

Also da war wirklich nichts Richtiges dran. Natürlich kam es öfters zu Problemen in der Kneipe. Da wird schon mal mehr getrunken als gut ist. Und dann kommt es zu Meinungsverschiedenheiten oder auch mal zu Handgreiflichkeiten. Dann musste Moritz natürlich schlichten oder auch mal dazwischengehen. Aber da ist nichts hängengeblieben. Wenn die wieder nüchtern waren, hatten die sich alle wieder lieb“.

 

Trotzdem geben Sie uns die Namen der Personen mit denen ihr Freund in letzter Zeit Stress in der Kneipe hatte. Mein Assistent wird sich die Namen notieren. Aber was hat ihr Freund denn sonst so getrieben? Wenn er nicht in der Kneipe war?“, fragte Strecker.

 

Wenn er nicht in der Kneipe war, war er auf irgendeinem Fußballplatz, mit seinen Kumpeln. Oder er hing vor seinem Computer rum“.

 

Die Namen der Kumpel brauchen wir auch. Und wie lief ihre Beziehung? Alles harmonisch?“, bohrte Strecker weiter.

 

Ja. Klar!“

 

Da haben wir was anderes gehört“, bluffte Strecker zurück.

 

Von wem?“, fragte Frau Beu nach.

 

Ermittlungsgeheimnis“, konterte Strecker.

 

Wer auch immer das behauptet, lügt. Sicher haben wir uns auch mal gestritten. Aber das waren immer nur Kleinigkeiten. Das gibt es doch in jeder Beziehung und es war nie von Dauer.“ „Wie lange waren, sind sie schon zusammen?“, mischte sich Kommissar Lohr in das Gespräch.

 

Wie man unschwer hört, bin ich nicht von hier. Ich komme aus Dresden und da habe ich Moritz auch vor vier Jahren kennen gelernt. Ich habe dort in einer Kneipe in der Innenstadt bedient. Nicht weit von der Frauenkirche. Eines Abends kam eine Gruppe von Männern rein. Einer von denen war Moritz, der mit seinen Kumpeln einen Städtetrip gemacht hat. Die meisten waren schon ziemlich betrunken und fingen an, mich zu belästigen. Da hat Moritz sich eingemischt, mich gefragt, ob ich am nächsten Tag einen Kaffee mit ihm trinke. Wir haben uns getroffen, fanden uns sympathisch, haben uns verliebt. Vier Wochen später bin ich dann nach Köln. Seitdem leben wir hier zusammen.“

 

Sie sind um einiges jünger als Herr Donner. Und ziemlich attraktiv. Und es gibt sicher auch in Köln Männer, die zudringlich werden, wenn sie zu viel getrunken haben. Da musste ihr Freund sie doch sicher öfters retten“, spekulierte Strecker.

 

Ach, das war doch harmlos. Paul war doch total zu und hatte damals Stress mit seiner Karin. Da hat er versucht sich an mich ran zu machen. Auf eine ziemlich plumpe Art. Und ziemlich hartnäckig, jedenfalls wurde ich ihn nicht los. Obwohl ich ihn angebrüllt habe, dass er mich in Ruhe lassen sollte, grapschte er weiter. Dann kam Moritz und hat ihm eine reingehauen, Paul ging zu Boden. Dann war Ruhe. Am nächsten Tag kam er wieder rein, nüchtern, mit Blumen und hat sich bei mir und Moritz entschuldigt. Das war aber auch schon alles, sonst ist nie was passiert.“

 

Keine Anzüglichkeiten, kein Grapschen?“, bohrte Strecker weiter.

 

Nichts was mir nicht auch auf der Straße passiert“, antwortete die Frau.

 

Ok. Dieser Paul kommt auch auf die Liste. Nach ganz oben. Kann ich mich hier mal ein bisschen umsehen, während mein Assistent die Namen aufschreibt?

 

Nein, das möchte ich nicht. Eigentlich möchte ich jetzt allein sein. Ich gebe ihnen jetzt noch die Namen und dann gehen Sie bitte!“ sagte Frau Beu.

 

Aber sie wollen doch sicher, dass wir den Mord an ihrem Partner schnell aufklären. Oder etwa nicht?“, insistierte Strecker.

 

Sie sind doch noch nicht einmal sicher, dass er es überhaupt ist“, brüllte die Frau ihn jetzt an. „Und da wollen sie jetzt schon unsere Bude auf den Kopf stellen? Ich möchte, dass sie gehen.“

 

Während Max Lohr schon sein Notizbuch aufschlug und einen Stift aus der Innentasche seines Jacketts fingerte, hakte Strecker ein weiteres Mal nach. „Haben sie denn etwas zu verbergen? Wenn nein, was ist schon dabei, wenn ich mich kurz umsehe?“

 

Raus!“, schrie Frau Beu, sprang auf und deutete mit ihrem linken Arm in Richtung Zimmertür.„Die Liste?“ stammelte Max Lohr verlegen.

 

Sie können wiederkommen, wenn es wirklich Moritz ist. Ansonsten möchte ich meine Ruhe haben. Bitte gehen Sie“. „Dann kommen Sie bitte heute um 14:00 Uhr auf das Revier. Hier ist meine Karte. Und seien Sie pünktlich, das ist eine Vorladung“, sagte Strecker und erhob sich. Seine beiden Begleiter erhoben sich ebenfalls und folgten ihm zu Wohnungstür.

 

Anne Beu schloss die Tür hinter den Beamten, ging zurück durch den Flur in Richtung Wohnraum, öffnete allerdings eine Türe an der rechten Seite des Flurs, steckte den Kopf in das sich offenbar dort befindende Schlafzimmer und sagte: „Besser Du verschwindest jetzt. Moritz ist offenbar tot. Ermordet.“