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Fatebug - Tödliches Netzwerk 29

 

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Die Atmosphäre im Präsidium war spannungsgeladen. Das lag diesmal nicht daran, dass Kommissar Lohr zu spät zum Dienst erschien. Selbst wenn man die hochgesteckten Erwartungen von Hauptkommissar Strecker als Maßstab nahm. Denn bereits vor 8:00 Uhr war das Trio im Büro Strecker/Lohr komplett. Die Ursache der Spannungen lag vielmehr in den unterschiedlichen Ansichten, die die beiden Kölner Kollegen in Bezug auf das Vorgehen bei der Identifizierung und Befragung der Personen hatten, deren Namen ihnen Frau Beu am Vortag genannt hatte. Als Kommissar Lohr an seinem Schreibtisch Platz nahm, bemerkte er einen Stapel Bierdeckel, der neben der Tastatur seines Dienstrechners lag.

 

Darf ich fragen was das soll?“, wandte er sich an seinen Chef.

 

Das sind die Ergebnisse meiner gestrigen Spätschicht“, erläuterte der Hauptkommissar.

 

Betrachten wir getrunkene Gläser Kölsch jetzt schon als Ergebnisse?“, fragte Lohr nach.

 

Machen sie mal die Augen auf und sehen sich die Bierdeckel genauer an. Die Namen darauf sollten ihnen eigentlich bekannt vorkommen. Und wenn Sie gestern noch ihren Job gemacht hätten, sollten sie eigentlich auch die Adressen schon kennen. Das sind die Namen und Adressen von elf der zwölf Personen, die Frau Beu uns gestern genannt hat. Leider war dieser Herbert Haas nicht da und keiner seiner Kumpane kannte die richtige Adresse. Aber er stand früher bei der Germania im Tor. Damit sollten wir ihn identifizieren können.“

 

Heißt, dass sie waren gestern in Harry´s Schenke und haben die potentiellen Verdächtigen aufgeschreckt. Die haben sich und ihre Geschichten doch mittlerweile alle abgesprochen. Die brauchen wir doch gar nicht mehr einzeln zu verhören.“

 

Was glauben sie denn, worüber die sich unterhalten hätten, wenn ich nicht da gewesen wäre? Da hocken elf Sportkameraden oder Freunde von Donner in einem Raum, haben erfahren, dass ihr Bekannter und Wirt ermordet wurde und sie glauben, die reden über das Wetter auf Mallorca?“, explodierte Strecker. „Wie viele Personen von der Liste haben sie denn bisher eindeutig identifiziert?“.

 

Die Hälfte. Von sechs“ räumte Kommissar Lohr kleinlaut ein. „Die anderen sechs hatte unser Kollege vom LKA übernommen“.

 

Ich habe vier ziemlich sicher identifiziert“ schaltete sich Klaus Sehlmann ein. „Die wesentlichen Daten finden sie schon in der Fallakte“.

 

Schön, dann gleichen Sie mal ihre Ergebnisse mit meinen ab. Und ergänzen sie die Akte um die noch nicht dokumentierten Informationen. Und den Haas sollten Sie jetzt auch finden können, sofern sie ihn noch nicht haben. Ich bin in der Kantine. Frühstücken“.

 

Eigentlich ganz schön clever der Alte“, gestand sich Max Lohr ein und begann die Bierdeckel auf zwei Stapel zu verteilen. „Ich nehme an, wir bleiben bei der gestrigen Aufteilung“, sagte er und warf dem Fallanalysten den Stapel aus seiner rechten Hand zu. „Hoffentlich ist seine Intelligenz besser ausgebildet als seine Motorik“, dachte sich der Kommissar als er beobachtete, wie Klaus Sehlmann die ihm zugedachten Bierdeckel vom Fußboden aufsammelte.

 

Zuerst überprüfte Lohr die drei von ihm gestern schon bearbeiteten Einträge. Die jeweiligen Adressen stimmten mit den von ihm ermittelten Adressen überein. Nun, mit Unterstützung der auf den Bierdeckeln notierten Adressen, fand er die übrig gebliebenen drei Kandidaten auf Anhieb. Er studierte die recherchierten Ergebnisse und dokumentierte die wesentlichen Erkenntnisse in der Fallakte. Eine knappe Stunde später war er mit der Aufgabe fertig. Er erhob sich und ging hinüber in das temporäre Büro von Klaus Sehlmann, um ihn zu fragen, ob er ihm bei Aufspüren der Daten von Herbert Haas, der Person, dessen Adresse Strecker nicht in Erfahrung gebracht hatte, helfen könnte. Doch er kam zu spät. Gott sei Dank, denn Sehlmann hatte auch dessen Adresse schon aufgespürt.

 

Noch fünf Minuten. Dann habe ich die Eingaben komplett und wir können uns überlegen, wie wir die Befragungen angehen. Außer den Adressen hat ihr Chef ja nicht viele Informationen mitgebracht.“

 

Oder er hat sie für sich behalten“ ergänzte Lohr. „Gehen wir uns auch einen Kaffee holen. Bis der alte Brummbär zurück ist, können wir nicht viel tun. Beziehungsweise sollten wir nicht viel tun. Weil wir sonst zu viel falsch machen“.

 

Einige Minuten später, sie saßen noch Kaffee trinkend im Büro der Kölner Kommissare, kam Strecker zurück.

 

Na, endlich fertig mit den Hausaufgaben?“, warf er jovial in den Raum.

 

Dann können wir ja den Rest des Tages verplanen. Wir zwei“ sagte er in Richtung Lohr „teilen uns die Figuren auf und interviewen sie. Verdächtige oder diejenigen, die uns mehr erzählen sollten, bestellen wir für eine zweite Runde in das Präsidium. Zwischenzeitlich kann der Herr Analyst weitere Informationen zusammentragen. Über die Personen selbst bzw. über ihre bevorzugten Aufenthaltsorte oder Personen, Vereine, Gruppierungen mit denen sie verkehren. Nun Kollege Lohr, irgendwelche Präferenzen?“.

 

Nicht direkt, aber fünf der Personen wohnen in Mülheim. Deren Besuche ließen sich fußläufig erledigen. Der Rest verteilt sich über ein größeres Gebiet“.

 

Dann nehme ich den Spaziergang. Ich gehe nochmals für kleine Jungs. Sind sie so nett und drucken mir deren Profile aus?“, sagte Strecker, erhob sich und verließ den Raum.

 

Den Nachmittag verbrachten sie mit den Befragungen der auf der Liste von Frau Beu stehenden Personen. Sie hatten sich für den morgigen Vormittag verabredet, um ihre Informationen auszutauschen und das weitere Vorgehen abzustimmen.

 

Das war in etwa zu der Zeit, als der Mörder für die nächste Mission packte und sein letztes Opfer nur noch darum betete, dass es endlich vorbei sein würde.