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Fatebug - Tödliches Netzwerk 33

 

33.

 

 

 

Das Wochenende verlief erwartungsgemäß ereignislos. Strecker sah am Sonntag einen 3:1-Sieg von Germania Mülheim gegen Junkersdorf. Klaus Sehlmann kümmerte sich, begleitet von einem reichlich schlechten Gewissen um seine Freundin. Über das Privatleben vom Max Lohr erfuhr man nichts. Nicht am Wochenende und auch sonst nicht.

 

In Bonn und Hamburg war mehr geschehen. Aber davon wussten die Herren nichts. Noch nicht.

 

Als erstes erläuterte ihnen Max Lohr seinen Plan. Er hatte noch am Freitag Gesprächstermine mit einigen der Personen von der Liste vereinbart. Der erste, Thomas Walser, würde um 10:00 Uhr kommen, für 14:00 Uhr wurde Dieter Sahler erwartet.

 

Weitere Termine gab es für den morgigen Dienstag und Mittwoch. Um den Rest würde er sich gleich kümmern.

 

Strecker hatte auf dem Fußballplatz auch nicht viel erfahren. Walser, Sahler, Breuckmann, Kowlewski und Sterzel waren da. Standen alle zusammen, hatten Spaß. Keine Spur von Trauer oder auch nur Zurückhaltung wegen ihres verstorbenen Kumpels.

 

Sie quälten sich durch das Gespräch mit Walser, der pünktlich im Präsidium erschienen war. Im Prinzip hatten sie keine neuen Fragen, vielleicht andere Formulierungen. In der Folge bekamen sie keine neuen Informationen. Sie hatten keine Idee, noch immer nicht. Keine Strategie. Es war weiterhin nur ein diffuses Stochern im Nebel.

 

Thomas Walser registrierte das. Schnell war er genauso gelangweilt wie die Ermittler. Er lümmelte sich Kaugummi kauend auf seinem Stuhl, gelegentlich an seinem Kaffee nippend, beantwortete widerwillig und wortkarg die Fragen.

 

Ja“, „Nein“, „weiß nicht“. Ein größeres Vokabular brauchte er für die ersten 15 Minuten kaum. Dann änderten die Kommissare ihr Vorgehen. Sie stellten mehr offene Fragen. Nach seiner Vergangenheit. Seinem Umfeld. Den gemeinsamen Aktivitäten mit seinen Kollegen. Seinem Verhältnis zu Moritz Donner und Anne Beu. Er erzählte ihnen im Prinzip die gleichen Geschichten, die er dem Hauptkommissar bereits in der letzten Woche erzählt hatte. Etwas ausführlicher vielleicht. Denn er hatte Zeit. Bis zum Freizeitkick heute Nachmittag. Er fing an, das Geschehen zu genießen. Langsam, betont nuschelnd, leise und sprunghaft, erzählte er seine Geschichten, damit die Ermittler Schwierigkeiten hatten, ihn zu verstehen.

 

Die Zeit verrann. Mittlerweile dauerte das Verhör bereits annähernd drei Stunden. Und sie hatten bis jetzt nichts Neues erfahren. Sie konnten Walser kaum verstehen, weder akustisch noch sinnhaft. Und dafür waren definitiv nicht ihre knurrenden Mägen und die sinkende Konzentration schuld. Entweder der Typ hatte kein Talent zum Erzählen oder er verarschte sie kräftig. Insbesondere Max Lohr wurde immer frustrierter, war es doch seine Aufgabe, das Gespräch zu protokollieren. Kurz vor 14:00 Uhr waren sie dann fertig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Viel Aufwand, null Ertrag. Und der nächste Kunde wartete schon auf dem Flur.

 

Strecker hatte die Schnauze voll. Er hatte das Verhör als so quälend empfunden, dass er sogar mit seinem Assistenten Mitleid hatte. So war Max Lohr ziemlich überrascht. Nicht über die Ankündigung, dass sein Chef sie das nächste Verhör alleine durchführen lassen und zuerst mal in der Kantine verschwinden wollte, sondern über das Angebot, seinen zwei Kollegen etwas aus der Kantine mitzubringen.

 

Guten Tag Herr Sahler. Vielen Dank das sie unsere Einladung angenommen haben. Bitte folgen Sie uns in einen Raum, in dem wir uns in Ruhe unterhalten können“, sagte Kommissar Lohr. „Zwei Käsebrötchen bitte“, rief er Strecker noch hinterher, drehte sich um und verschwand, den Fallanalysten und Dieter Sahler im Schlepptau, in dem Besprechungsraum. Dort bot er ihm einen Platz und etwas zu trinken an, stellte seinen Kollegen vor, erklärte, dass das Gespräch aufgezeichnet würde und begann, mit dem Verhör. Mit Aussicht auf etwas zu essen und eines neuen, vielleicht besser motivierten, Gesprächspartners stellte Lohr seine ersten Fragen. Doch die Begeisterung war schnell vorbei.Die Performance von Dieter Sahler glich der des Gesprächspartners vom Vormittag.

 

Scheiße“, dachte sich Max Lohr. „Die hatten sich auf dem Fußballplatz offenbar nicht nur über das Spiel unterhalten, sondern sich auch abgestimmt, wie sie bei den Verhören vorgehen wollten“.

 

Neben der Aussicht auf weitere zwei bis drei quälend langweilige Stunden frustrierte ihn auch die Einsicht, dass sich die Verdächtigen sicher auch inhaltlich abgestimmt hatten. Relevante Erkenntnisse und erkennbare Widersprüche waren folglich kaum mehr zu erwarten. Trotzdem war er entschlossen, es zu Ende zu bringen.

 

Auch inhaltlich glich das zweite Verhör dem ersten wie ein Ei dem anderen. Nach einigen kurzen, suggestiven geschlossenen Fragen, kamen die offenen Fragen und damit die Einleitung für die, den Ermittlern bereits bekannten Geschichten.

 

Als Hauptkommissar Strecker eine gute Stunde nach dem Beginn des Verhörs in den Raum kam, freute sich Lohr nicht nur auf die Käsebrötchen, sondern war generell über das Auftauchen von Strecker erfreut. Das erste Mal, wenn er sich recht erinnerte. Doch es sollte noch besser kommen.

 

Der Hauptkommissar forderte die beiden Kollegen auf, ihn kurz auf den Flur zu begleiten und bat einen Kollegen von der Schutzpolizei, dem Befragten im Verhörraum so lange Gesellschaft zu leisten.

 

Haben sie meine Brötchen?“, fragte Max Lohr, als er bemerkte, dass Strecker mit leeren Händen gekommen war.

 

Das ist nicht mehr wichtig“, antwortete dieser. „Sie haben eine weitere Leiche gefunden. Die war genauso übel zugerichtet. In Bonn. Wir müssen da jetzt hin“.