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Fatebug - Tödliches Netzwerk 36

 

36.

 

 

 

Zufrieden lehnte er sich in seinen Stuhl zurück. Eine Tasse Kaffee und ein Käsebrötchen auf dem Frühstückstisch. Doch der eigentliche Grund für seine Zufriedenheit lag auf seinem Schoß. In Form der aktuellen Ausgabe eines regionalen Boulevardblattes. Die dort groß, fett und unterstrichen auf dem Titelblatt prangende Schlagzeile lautete: „Serienmorde im Rheinland“. Nun hatte er die Aufmerksamkeit, die er vorausgeplant hatte. Die Ermittlungen würden unterer größerem Druck und den wachsamen Augen der Öffentlichkeit laufen. Es würde schwieriger werden, unangenehme Erkenntnisse zu unterdrücken. Handlungszwänge würden steigen. Und neue Beteiligte ins Spiel kommen. Für letzteres war es aber noch zu früh. Denn die Ermittler wussten sicherlich noch zu wenig. Sie hatten wahrscheinlich noch keine Anhaltspunkte ,die aus der Spekulation der Boulevardzeitung eine belastbare Theorie machten.

 

Einzig die Art und Weise, wie die beiden Opfer zu Tode kamen, ließ vermuten, dass es sich um ein und denselben Täter handeln musste. Und natürlich die Perfektion, mit der die Morde ausgeführt wurden, stellte er selbstgefällig fest. Er war gespannt, ob die bisher auffindbaren Indizien schon ausreichen würden, um den Ermittlern weitere Zusammenhänge zwischen den Morden klar zu machen. Wenn man alle wesentlichen zugänglichen Informationen sichtbar machte und die richtigen Schlüsse zog, war es zu sehen. Deshalb hatte er ihnen ja auch geholfen. Wenn sie den Grund kannten, würden sie seine Vorgehensweise verstehen. Er war ja kein Sadist. Zumindest nicht im eigentlichen Sinne. Denn wenn es ihm nur darum gegangen wäre, seine Opfer zu quälen, da hätte es noch ganz andere Möglichkeiten gegeben. Zumindest wäre er länger vor Ort geblieben, hätte mehr Filmmaterial gedreht.

 

Aber er musste sich keine Sorgen machen. Spätestens, wenn das nächste Opfer gefunden wurde, war der Zusammenhang eigentlich nicht mehr zu übersehen. Sie würden verstehen, sie würden sich Fragen stellen, wer das nächste Opfer wäre und was man tun könnte, um weitere Morde zu verhindern.

 

Danach würde es schwieriger, risikoreicher werden. Noch nicht wegen des planmäßigen Fortschrittes der Ermittlungen. Denn die Ermittler würden auf Hindernisse stoßen, mit deren Existenz sie nie und nimmer gerechnet hätten. Sie würden verzweifelt nach Wegen und Koalitionären suchen, die ihnen helfen sollten, die Hindernisse zu beseitigen, um das nächste Opfer zu warnen. Wut würde wachsen. Bei den Ermittlern und auch in der Öffentlichkeit. Deshalb brauchte er auch die Schlagzeilen. Um möglichst viele in Angst und Schrecken zu versetzten. Um möglichst viele wütend zu machen. Und dass es viele werden und dass sie möglichst wütend werden würden, dafür hatte er gesorgt. Dafür hatte er ja die Filme gemacht. Und die würden eindrucksvoller und nachhaltiger wirken als die fettesten Schlagzeilen.

 

Doch genug phantasiert. Das Momentum musste er nutzen. Zwar war er erst gestern aus Hamburg zurückgekehrt, hatte den Rest des Wochenendes noch dort verbracht, das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden. Er hatte sich die Stadt angesehen, war den touristischen Trampelpfaden gefolgt. Hafen, Speicherstadt, nun mit der Elbphilharmonie, Innenstadt mit Binnenalster und auch den obligatorischen Reeperbahnbesuch hatte er gemacht. Das alles hatte natürlich auch dazu beigetragen, seine Legende zu festigen, dass er als Tourist nach Hamburg gekommen war und nicht um eine besonders für einen speziellen Studenten unschöne Mission durchzuführen.

 

Wie würde es dem Studenten nun wohl gehen? Eigentlich sollte er tot sein. Das hoffte er. Für ihn, denn es waren nunmehr fast vier Tage, die seine Bauchhöhle schon geöffnet war. In denen er Schmerzen, Infektionen und Blutverlust ausgesetzt war, in denen er weder Durst noch Hunger hatte stillen können. In denen sein Verdauungsapparat gegen ihn gearbeitet hatte.

 

Wieder war er in die Vergangenheit abgeglitten. Dabei war es doch an der Zeit, wieder zu verreisen. Den nächsten Schlag zu tun, den Koffer hatte er gestern schon gepackt, war den Plan nochmals durchgegangen. Was noch blieb war sich nochmals genau zu informieren, wie er an das nächste Ziel kam. Denn er hatte kein Navigationsgerät in seinem Bus. Er wollte keine unnötigen Spuren hinterlassen. Wo lag es denn nun noch einmal genau? Dieses Bischofswerda.