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Fatebug - Tödliches Netzwerk 37

 

37.

 

 

 

Die Tatsache das Hauptkommissar Strecker erst mit 30 Minuten Verspätung kam, trug nicht gerade zur Verbesserung der Stimmung bei. Strecker hatte zwar die Schlagzeilen nicht gelesen, war aber aufgrund der am Vortag gemachten Beobachtungen nicht sonderlich überrascht.

 

Also, was wissen wir?“, fragte die Hauptkommissarin die Kollegen der Nachtschicht. Nicht ohne Stolz und Zufriedenheit fasste Kriminalassistent Wolf die Ergebnisse seiner nächtlichen Fleißarbeit zusammen.

 

Gut, jetzt wissen wir, wo sie war und mit wem sie Kontakt hatte. Wer hat sich darum gekümmert, wer sie war?“, fragte Frau Garber nach.

 

Schweigen.

 

Ist das Euer Ernst? Drei Mitarbeiter kriegen über Nacht nicht mehr als ein jämmerliches Bewegungsprofil zusammen? Wie sollen wir denn die Kontakte qualifiziert befragen, wenn wir nichts über die Tote wissen? In zwei Stunden haben wir die Informationen die wir benötigen. Ich möchte wissen, wer sie war und wofür sie stand. Und natürlich auch, wie sie dastand, das heißt, wie es um ihre finanziellen Verhältnisse stand. Die Kollegen Strecker, Warnecke und ich sind mal hoch zur Chefetage. Die haben auch schon Zeitung gelesen. Sie wollen mit uns besprechen, wie wir mit der Presse umgehen. Es ist jetzt 9:30 Uhr. Wir machen um 11:30 Uhr weiter. An die Arbeit die Herren“. Sie erhob sich, die beiden Hauptkommissare taten es ihr gleich und wenige Sekunden später hatte das Trio den Raum verlassen.

 

Na dann wollen wir mal loslegen“, ergriff Oberkommissar Wink das Wort. „Ich kümmere mich um die Mails. Sehlmann, sie kümmern sich um die sozialen Netzwerke, Kommissar Bauer sichtet die Dokumente und Kommissar Lohr spricht mit der Bank. Wolf, sie helfen beim Zusammentragen der Ergebnisse. Einverstanden?“

 

Ohne Widerspruch machten sich die Ermittler an ihr Werk.

 

Kommen Sie rein und nehmen sie Platz“, begrüßte sie Frau Dr. Gisela Garidis, die Leiterin der Bonner Kriminalpolizei, als sie die drei Ermittler an der Bürotür in Empfang nahm.

 

Ich habe meinen Kölner Kollegen und den Chef von Frau Garber schon in der Leitung. Ich denke, wir alle haben die Zeitungen gelesen. Da wir uns sicher einig sind, dass die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit im derzeitigen Stadium der Ermittlungen nicht hilfreich ist, möchte ich mit Ihnen allen abstimmen, wie wir mit dem Thema umgehen. Mein Eindruck: Die Journalisten wissen so gut wie nichts, aber vermuten das Richtige. Wie sollen wir mit dieser Situation umgehen? Hat jemand Vorschläge?“

 

Ohne Zögern ergriff Hauptkommissarin Garber das Wort.

 

Wir können das nicht mehr totschweigen. Aus meiner Sicht sollten wir das Thema offensiv angehen und die Presse aktiv informieren. Wir bieten eine Pressekonferenz an und teilen ihnen mit, dass die beiden Morde gewisse Ähnlichkeiten aufwiesen, die uns vermuten lassen, dass sie beide vom selben Täter begangen wurden. Um diese Möglichkeit bei den Ermittlungen gleich angemessen zu berücksichtigen, haben wir eine Sonderkommission gebildet. Viel mehr können wir aus ermittlungstaktischen Gründen leider noch nicht sagen.“

 

Und damit wird sich die Meute zufrieden geben?“, fragte Kriminalrat Marc Petz, der Leiter der Ermittlungseinheit des LKA. „Das glauben Sie doch selbst nicht“.

 

Nun man kann uns dann zumindest nicht vorwerfen, dass wir die Sache totschweigen“, konterte Frau Garber. „Natürlich werden sie damit nicht aufhören zu schnüffeln. Aber wenn wir sie gar nicht einbeziehen, haben wir morgen die wildesten Spekulationen und man wird von uns erwarten, dass wir dazu Stellung beziehen. Aber wenn jemand einen besseren Vorschlag hat, bitte“.

 

Also schön“, beendete Frau Dr. Garidis das Schweigen. „Wer und wann?“.

 

Wieder ergriff Frau Garber das Wort. „Wir müssen das hier in Bonn machen. Es muss ein Mitglied des Ermittlungsteams dabei sein. Und die sind alle hier. Wenn wir es am späten Nachmittag machen, gehen die Informationen noch vor Redaktionsschluss in die Konferenzen. Und für den heutigen Nachmittag können wir Fragen mit Hinweis auf die Pressekonferenz abwiegeln“.

 

Ok. Frau Garber und ich machen das dann. Wir nehmen das von Frau Garber vorgeschlagene Statement. Fragen werden wir nicht zulassen“, resümierte Frau Dr. Garidis.

 

Sehen sie bitte zu, dass nichts über die Todesumstände nach außen dringen“ schaltete sich Kriminalrat Brandt noch ein.

 

Klar, er hatte ja noch keinen Beitrag geleistet und musste seine Existenz noch rechtfertigen. Und sei es, indem er noch eine Selbstverständlichkeit absondert“, dachte sich Hauptkommissar Strecker während Frau Dr. Garidis die Telefonkonferenz beendete.

 

Frau Garber. Mein Sekretariat organisiert die Pressekonferenz. Über den genauen Ort und Zeit werden se noch rechtzeitig informiert“.

 

Mit einem kurzen Dank und guten Wünschen für die Ermittlungen signalisierte sie auch den drei Ermittlern unmissverständlich, dass das Gespräch beendet war und wenige Sekunden später waren die drei Beamten wieder auf dem Weg zur Arbeit.

 

Schon irgendwelche Zwischenergebnisse?“, fragte die Hauptkommissarin, kaum dass sie die Tür zum Konferenzraum durchschritten hatte.

 

Einiges, aber wir sind noch nicht mit allem durch“, antwortete Oberkommissar Wink.

 

Gut sie machen weiter und Herr Wolf informiert uns darüber was wir schon haben“.

 

Das Opfer heißt Karin Schuster, war zum Zeitpunkt des Mordes 43 Jahre alt und von Beruf Künstlerin. Offenbar gutsituiert, nicht wegen ihres beruflichen Erfolges, sondern wegen einer Erbschaft...“.

 

Das wissen wir. Das Neue bitte“, fiel ihm die Hauptkommissarin in das Wort.

 

Entschuldigung. Einen Moment bitte“, sagte Wolf und blickte konzentriert auf seinen Laptop. „Da haben wir es. Fangen wir mit ihren letzten Schritten an. Laut ihrem Terminkalender und Bewegungsprofil war sie vor ihrem Tod bei ihrem Yoga-Kurs. Der fand nicht weit von ihrem Zuhause statt, in der Kessenicher Straße. Sie ging offenbar regelmäßig dahin, dreimal pro Woche. Mit einigen ihrer Mitturnerinnen hatte sie auch näheren Umgang. Sie trafen sich mehr oder weniger regelmäßig in Cafe´s oder bei Privatadressen. Zudem hatte sie engere Kontakte zum Bonner Frauenmuseum, zumindest war sie auch dort häufiger. Ansonsten war sie noch, wenn man von Routinebewegungen wie Einkäufen oder so absieht, in den letzten 14 Tagen in einer Bonner Galerie, auf dem Bonner Talweg.

 

Sexuell war sie wohl gleichgeschlechtlich orientiert. Sie hatte zwar keine feste Freundin, aber offenbar mehrere kurze Beziehungen. Sie lebte das offen, auch in den sozialen Netzwerken. Ihre Fatelogseite ist voll von Beschimpfungen und Drohungen. Auch Hassmails haben wir in ihrem Postfach reichlich gefunden. Insbesondere gab es vor gut sechs Monaten einen Vorfall um einen Selbstmord einer jungen Lehrerin, Heidi Lamprecht. Offenbar hatte das Opfer seine Beziehung mit der Lehrerin öffentlich gemacht. Die Lehrerin hat sich wenig später das Leben genommen. Ob ein Kausalzusammenhang zu der Offenlegung der Beziehung bestand, wissen wir noch nicht. Zumindest gab es Beschimpfungen und auch Drohungen, verstärkt aus dem familiären Umfeld der Lehrerin. Wir müssen das aber alles noch genauer analysieren, um es bewerten zu können. Aber an potentiellen Verdächtigen und Motiven scheint es nicht zu mangeln. Die Kontaktliste und das Bewegungsprofil habe ich mit den neuen Erkenntnissen ergänzt, sie sind also auf dem aktuellen Stand.“

 

Angehörige?“, fragte die Hauptkommissarin nach.

 

Nein. Bisher nicht. Die Eltern sind bekanntlich tot. Geschwister hatte sie keine. Ansonsten haben wir keine Anhaltspunkte das sie noch verwandtschaftliche Kontakte hatte. Der Vater hatte eine Schwester, aber die lebt seit über 20 Jahren in der Schweiz“, ergänzte der Kriminalassistent.

 

Haben wir den Bericht der Pathologen schon?“, fragte Strecker.

 

Ja. Todesursache Ersticken. Sie hat sich selbst ihre Zunge abgebissen. Also ca. einen Tag nach dem sie zum letzten Mal gesehen wurde. Im Yoga-Kurs. Der Bericht ist in der Akte“.

 

Ok. Dann wollen wir mal ausschwärmen. Hauptkommissar Strecker und sie Herr Wink fahren in das Yoga-Zentrum, Hauptkommissar Warnecke und Kommissar Lohr, sie statten dem Frauenmuseum einen Besuch ab. Ich kümmere mich um die Familie dieser toten Lehrerin. Kommissar Bauer begleitet mich. Herr Sehlmann und sie, Herr Wolf analysieren weiter. Kriminalassistent Wolf, schicken sie uns bitte die nötigen Adressen auf unsere Handy´s“. Nach einem Blick auf die Uhr fuhr die Hauptkommissarin fort. „Es ist jetzt 11:05 Uhr. Wir treffen uns um 14:30 Uhr wieder hier und tragen unsere Erkenntnisse zusammen. Ich möchte auf Ballhöhe sein, wenn ich vor die Pressemeute trete.“