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Fatebug - Tödliches Netzwerk 38

 

38.

 

 

 

Dieses Mal könnte es etwas schwieriger werden. Zumindest der erste Teil, dass nächste Opfer in seine Gewalt zu bekommen. Natürlich hatte er sich auch hier schon vor Ort umgesehen, hatte sich den Ort angesehen, den Wohnort und die Umgebung des auserwählten Opfers erkundet und sich natürlich auch mit den Gewohnheiten des Opfers vertraut gemacht. Berthold Karski, so der Name seines nächsten Ziels war Mitte 30, arbeitslos und lebte in einer kleinen Zweizimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Karl-Liebknecht-Straße. Die Chancen, ihn zu Hause anzutreffen, waren allerdings gering, meist hing er im nahegelegenen Käthe-Kollwitz-Park herum, sofern er nicht in seinen wenigen liquiden Momenten sein Geld im „Felsenkeller“ auf der Neustädter Straße ließ.

 

So weit, so gut. Leider befand er sich nahezu ständig in Begleitung von Gleichgesinnten, was in seinem Fall eine Gruppe von dem rechten politischen Spektrum zugewandten Männer waren. Gesellschaft, die es unratsam erscheinen ließ, ihn gewaltsam aus deren Mitte zu zerren.

 

Hinzu kam die unerfreuliche Begleiterscheinung, dass er sein Fahrzeug nicht würde verwenden können, ein Kleinbus mit fremden Kennzeichen würde, sofern er sich länger in der Kleinstadt aufhielt, sicher auffallen. Deshalb hatte er sich auch schon für seine Erkundungsmission vor knapp 3 Monaten ein Fahrzeug in Dresden geliehen. Eine Option, die er für die Ausführung der Tat nicht hatte, denn es bestand die Gefahr, dass auch der Leihwagen auffallen könnte und eine Überprüfung der Verleiher eine Spur zu ihm legte. Die eigentliche Operation würde kein Problem darstellen, er hatte bei seiner Erkundungsmission ein verlassenes Industriegelände mit zahlreichen leerstehenden Räumen gefunden. Die örtlichen Umstände ähnelten also denen seinerzeit in Köln. Aber wie sollte er Berthold Karski dort hinschaffen? Er war schon versucht, die Finger von der Sache zu lassen, sich ein anderes, leichter zu schlachtendes Opfer zu suchen, als ihm Karski selbst eine Möglichkeit aufzeigte. Ungefähr einen Monat nach seinem Erkundungstrip verkündete Karski auf seinem Fatelogauftritt, das er von einem Onkel eine Datsche samt Schrebergarten geerbt hatte. Und er war so zuvorkommend, auch ein Bild und die Adresse zu posten. Das machte ihm Hoffnung, dass er den Plan zwar würde etwas ändern müssen, aber vielleicht würde er dadurch leichter oder sogar überhaupt erst ausführbar. Die Kehrseite bzw. schlechte Nachricht war allerdings: „Er musste da nochmals hin“. Drei Wochen später war er wieder vor Ort. Wieder mit einem in Dresden geliehenen Wagen. Und wieder war er auf Karnarskis Fährte. Sein erster Anlaufpunkt war die Datsche gewesen, sie lag im Osten von Bichofswerda, nicht weit von der Wohnung von Karski entfernt. Sie lag, wie es sich gehörte, in einer kleinen Kolonie, bestehend aus gut zwei Dutzend Schrebergärten, die Grundstücke durch Hecken getrennt, bei den meisten eine Datsche im hinteren Teil des Grundstücks. Anhand des von Karski geposteten Fotos hatte er seinen Schrebergarten schnell gefunden. Er widerstand der Versuchung, sich die Hütte gleich von innen anzusehen. Besser er würde sich zuerst informieren, ob die Datsche wirklich leer war. Und natürlich, ob die Datsche wirklich Karski gehörte. Dazu musste er Karski folgen. Also legte er sich vor dessen Wohnung auf die Lauer. Sprichwörtlich gesehen. Real saß er in seinem Mietwagen, auch einem Kleinbus mit getönten Scheiben, den er am Straßenrand, gegenüber von Karnarskis Wohnung geparkt hatte. Wie immer. Er hatte sich am frühen Abend aufgestellt, hatte keine Ahnung, ob Karski in seiner Wohnung oder draußen war. Gegen 20:00 Uhr sah er, wie Karski zurückkam, von Westen ging er die Karl-Liebknecht-Straße hoch auf seine Wohnung zu. Heute würde Karski wahrscheinlich nicht mehr ausgehen. Er wankte zu stark. Damit machte auch die weitere Beobachtung keinen Sinn mehr. Er würde sich vielmehr morgen früh auf die Lauer legen. Und Karski durch den Tag folgen.

 

Drei Tage dauerte das Spiel, bis Karski zum ersten Mal seinen Schrebergarten besuchte. Zielstrebig steuerte er das ihm schon bekannte Ziel an, seinen Verfolger unbemerkt im Schlepptau. Es dauerte weitere drei Tage bis der Plan stand. Karski ging jeden Mittwoch und Samstag früh zum Schrebergarten. Dort blieb er für drei bis vier Stunden in seiner Datsche, dann ging er, ohne den eigentlichen Garten eines Blickes zu würdigen, zurück. Manchmal in seine Wohnung, meist aber gleich in den Park, zu seinen Kumpanen. Zum Reden und Biertrinken.

 

Über zwei Wochen investierte er, bis er sich sicher war, dass Karski einer Routine folgte. Er liebte Routine. Sie machte alles einfacher. Für alle Beteiligten. Täter und Opfer. Zwischenzeitlich hatte er sich auch die Datsche angesehen, auch von innen. Sie war perfekt eingerichtet, er würde noch nicht einmal einen Tisch organisieren müssen. Das Türschloss war ein Witz. Die Fenster hatten Läden, die immer geschlossen waren. Es tat ihm leid um die Fische im Aquarium, die nahezu immer im Dunkeln leben mussten. Aber immerhin wurden sie regelmäßig gefüttert. Das also war der Grund für Karnarskis regelmäßige Besuche in der Datsche. Die Fische füttern.