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Fatebug - Tödliches Netzwerk 43

 

43.

 

 

 

Wir haben ihnen die auf Fatelog, Facebook, Twitter, Snapchat vorhandenen Daten von Herrn Donner und Frau Schuster in die jeweiligen Fallakten gestellt. Die Daten von Herrn Wehmeier sind wahrscheinlich noch nicht vollständig. Sein Laptop ist noch unterwegs. Kommissar Steiger bringt ihn mit. Dann prüfen wir die Vollständigkeit und ergänzen die Dateien bei Bedarf. Derzeit suchen die Spezialisten auch noch nach Zusammenhängen, Schnittmengen oder Ähnlichem. Für die inhaltliche Analyse sind wir zuständig. Ich schlage vor, dass Kollege Strecker die Daten von Frau Schuster untersucht, Hauptkommissar Warnecke kümmert sich um das Kölner Opfer und die Frau Garber arbeitet sich durch die Daten von Herrn Wehmeier. Wir treffen uns hier wieder um 16:00 Uhr um uns auf den neuen gemeinsamen Stand zu bringen. Die Links zu den Dateien finden sie in ihrer Mail. Fragen? Nein? Dann an die Arbeit!“

 

Moment. Sind die Daten denn so einfach zugänglich. Ich denke ,diese sozialen Netzwerke sind durch Passwörter geschützt?“, fragte Hauptkommissar Strecker.

 

Ja, das stimmt“, entgegnete Kommissar Marten. „Wir haben zusammengetragen, was wir mit unseren Mitteln erreichen konnten. Das ist sicher mehr als eine x-beliebige Privatperson erreichen kann. Wir beim BKA haben da schon bessere Möglichkeiten. Insbesondere wenn wir im Besitz der Geräte sind, mit denen sich die Benutzer selbst Zugang zu den Netzwerken verschafft haben. Deshalb vermuten wir auch, dass wir bei Herrn Wehmeier noch nicht alles ausgegraben haben. Das können wir erst mit Sicherheit feststellen, wenn wir auch seinen Laptop in die Finger bekommen. Wir haben aber auch eine Anfrage an die Betreiber der sozialen Netzwerke gestellt, um an zusätzliche Informationen zu kommen. Chat-Protokolle oder Ähnliches, aber bis wir diese Informationen haben wird, es noch dauern. Sofern es noch etwas gibt bzw. sofern wir es bekommen.“

 

Was heisst, sofern wir es bekommen?“, wollte Hauptkommissarin Garber wissen.

 

Die sozialen Netzwerke“, erläuterte Marten, „ob sie nun Fatelog, Facebook, Twitter oder Google heißen, werden nahezu ausschließlich von US-Konzernen betrieben. Das heißt, die Daten, die die Nutzer austauschen, werden in den USA gespeichert. Und das macht es für deutsche Behörden schwierig an die Daten heranzukommen. Nehmen wir zum Beispiel Fatelog. Die bieten zwar ein spezielles Portal an, über das „Nicht-US-Behörden“ Anfragen zu Accounts stellen können und haben auch das dazugehörige Verfahren definiert und beschrieben. Nachdem sich der Anfrager als offizielle Stelle autorisiert hat, kann man eine Anfrage spezifizieren, bekommt eine Bearbeitungsnummer mit allem Pipapo. Das Problem aber ist, dass es keinerlei Sicherheit gibt, ob und wann die Anfrage dann letztlich bearbeitet wird. Da regiert dann Kommissar Zufall. Manchmal ist die Anfrage nach wenigen Stunden beantwortet. Manchmal aber auch nicht. Man kann zwar versuchen, den Prozess durch Rechtshilfeersuchen zu beeinflussen, aber letztlich blieben bisher fast zwei Drittel der Anfragen aus Deutschland bisher unbeantwortet. Andere Staaten haben da bessere Quoten. Großbritannien zum Beispiel oder natürlich die USA. Aber sogar in den USA wird jede fünfte Anfrage nicht beantwortet. Und das sind Zahlen die von Fatelog selbst kommen. Die vermeintliche Sicherheit der Daten der Nutzer ist Bestandteil des Geschäftsmodells der Konzerne. Deshalb verteidigen die Konzerne die Daten mit Zähnen und Klauen.

 

Ich erinnere an den kürzlich stattgefundenen Streit zwischen Apple und dem FBI bezüglich der Bereitstellung der Daten auf einem iPhone. Dass die Konzerne selbst die Daten haben und sie zu ihren Zwecken missbrauchen könnten, scheint den Nutzern egal zu sein. Zwar versprechen alle Konzerne die Daten selbstverständlich nicht zu missbrauchen. Aber ob sie sich daran halten, weiß man natürlich nicht. Es bedeutet für uns: Wir können auf mehr Informationen hoffen, dürfen uns aber nicht darauf warten, geschweige denn uns darauf verlassen“.

 

Weitere Fragen?“, hakte Hauptkommissar Faber nochmals nach. „Dann los!“

 

Lydia Garber wühlte sich durch die Dateien des Hamburger Opfers. Auch unabhängig von dem Fall des Universitätsprofessors der Suizid begangen hatte, gab es reichlich Posts, die Anlass für Rachegedanken der Betroffenen gegeben hätten. Und alle kämen natürlich auch unter den aktuellen Umständen als Täter in Frage. Auch der Universitätsprofessor hatte sich per Post an Wehmeier gewandt. Zuerst eher bittend, dann fordernd und zum Schluss drohend, hatte er immer wieder auf die Unrichtigkeit der Meldung über seine sexuelle Beziehung zu seiner Studentin hingewiesen und eine Entfernung der Anschuldigung gefordert. Damit war er nur einer unter vielen, die gegen Post mit vermeintlich falschen Informationen ankämpften. Die meisten waren Frauen. Was den Professor von den anderen unterschied, war das tragische Ende durch seinen Suizid. Damit war der Disput noch nicht zu Ende. Nun beschwerten sich die betroffene Studentin und auch Angehörige des Professors bei Wehmeier. Und drohten ihm ebenfalls. Die Art und Weise, wie er diese Posts retournierte, sofern er sie nicht einfach ignorierte, war nie geeignet, die Gemüter auch nur im Geringsten zu beruhigen. Allein durch sein Verhalten in den sozialen Netzwerken hatte Wehmeier Dutzende von Verdächtigen produziert.

 

Plötzlich ging die Tür auf. „Wir haben etwas“, rief Faber in den Raum. „Bitte kommen Sie sofort in den Besprechungsraum“. Noch während sie sich erhob, hörte sie die gleichen Worte, nur leiser. Die Einladung galt also nicht nur ihr, sondern offenbar dem gesamten Ermittlerteam.

 

Nur wenig später saßen alle wieder im Konferenzraum zusammen. Es knisterte förmlich, als Hauptkommissar Faber das Wort an Kommissar Marten übergab. Dieser kam gleich zur Sache.

 

Unsere Spezialisten haben bei den Posts auf den Fatelogseiten von zwei der drei Opfer einen nahezu identischen Post gefunden. Sehen Sie auf den Bildschirm“.

 

Die Rache ist mein; ich will vergelten“ erschien auf dem Bildschirm.

 

Das wurde sowohl an das Kölner als auch an das Bonner Opfer gepostet“, fuhr Kommissar Marten fort. „Eine endgültige Bestätigung, dass dieser Post auch im Fatelog von Herrn Wehmeier war und zwischenzeitlich gelöscht wurde, versuchen wir noch zu prüfen. Aber für mich steht auch jetzt schon fest. Das war kein Zufall. Das war er“.

 

Und können wir herauskriegen, wer das war?“, fragte Hauptkommissar Strecker.

 

Wieder ergriff Marten das Wort. „Die Kommentare kommen von einem Fatelog Konto namens „Fatebug“. Aber alles was uns das bringt, ist der Hinweis darauf, dass unser Täter nicht ganz humorlos ist. Denn wenn wir versuchen ,herauszubekommen, wer hinter dem Account steckt, werden wir nur in eine Sackgasse laufen. Alles was man braucht, um einen Fatelog Account zu eröffnen ist eine E-Mailadresse. Und E-Mail Adressen kann man sich auch in beliebiger Zahl ohne validierte Überprüfung besorgen. Das hilft also auch kaum weiter. Soweit ich weiß, merkt sich Fatelog auch noch die IP-Adresse des Rechners, an dem der Account angelegt wurde. Wir gehen dem natürlich nach, werden aber nach meiner Vermutung in irgendeinem Internetcafé landen, in dem der Täter den Account eingerichtet hat. Und wahrscheinlich hat er das schon vor langer Zeit gemacht, so dass es auch keine Videoaufnahmen mehr gibt. Und selbst wenn, clever wie er agiert, war er bestimmt auch noch irgendwie verkleidet. Wir haben zwar zu dem Account des Nutzers Fatebug eine Anfrage bei Fatelog gestellt, aber da gilt das schon bekannte zu den Anfragen natürlich auch.“

 

Gab es Reaktionen der Opfer auf die Posts?“, fragte Hauptkommissar Warnecke.

 

Nein“, antwortete Kommissar Marten. „Nichts, soweit wir derzeit wissen. Aber das bringt uns natürlich zu einer wichtigen Frage. Wie gehen wir mit der Erkenntnis, dass die Opfer gewarnt oder aus unserer Ermittlersicht sogar markiert worden sind um?“

 

Und das hat ja nicht nur Relevanz für die Fahndung, sondern auch für die Prävention. Wir waren uns ja einig, dass der Täter wahrscheinlich weitere Morde begehen wird“, ergänzte Hauptkommissar Faber.

 

Wir müssen an die Öffentlichkeit. Und alle Fatelognutzer auffordern, ihre Seiten nach Einträgen von diesem Fatebug zu durchsuchen“, schlug Strecker vor.

 

Dafür ist es zu früh. Wenn die Öffentlichkeit mitbekommt, was es damit auf sich hat, kriegen wir Panik, Tausende von Falschmeldungen und Fake´s“, erwiderte Kommissar Sehlmann. „Nein, wenn wir alle Posts in die Finger bekommen, die dieser Fatebug gemacht hat, kommen wir diskreter an die Informationen. Wir müssen auf Fatelog Druck machen, damit sie unsere Anfrage zügig beantworten. Wer kann uns dabei helfen?“

 

 

 

Wahrscheinlich brauchen wir politische Unterstützung. Ich werde noch heute auf den Staatsanwalt zugehen und ihm vorschlagen, die Bundesanwaltschaft zu kontaktieren“, sagte Hauptkommissar Faber. „Aber bei einer Gemeinsamkeit bei zwei von drei Opfern ist unsere Argumentationsbasis natürlich noch ziemlich dünn. Hoffentlich finden wir einen Post von diesem Fatebug auch bei Wehmeier.“

 

 

 

Aber mit dem Thema Öffentlichkeit müssen wir uns sowieso auseinandersetzen“, bemerkte Frau Garber. „Die Pressekonferenz war zwar erst gestern, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis die Journalisten die beiden Morde mit dem Hamburger Fall in Verbindung bringen. Und dann machen sie uns die Hölle heiß. Und Panik kriegen wir trotzdem. Wir sollten sie weiter gezielt informieren. Damit können wir die Berichterstattung noch am ehesten sachlich halten. Wir sollten eine Pressemitteilung herausgeben, die auch Auskunft gibt, dass wir den Zusammenhang mit einem Hamburger Fall prüfen. Wir machen das lokal von Düsseldorf aus. Das verschafft uns vielleicht etwas Zeit, bis die Presse die näheren Zusammenhänge recherchiert hat. Das ist zwar nur ein Strohhalm an den wir uns klammern, aber vielleicht sind wir morgen einen Schritt weiter.“

 

Setzen sie sich zu Thema Öffentlichkeitsarbeit bitte mit Kriminalrat Paulsen und ihrer Chefin in Verbindung. Letztere soll auch gleich das Thema Personal für das Durchkämmen der Umgebung der Kölner und Bonner Schauplätze angehen. Ich rufe deshalb auch gleich die Kollegen in Hamburg an. Und dann kümmere ich mich um die Staatsanwälte“ sagte Hauptkommissar Faber.