· 

Fatebug - Tödlches Netzwerk 45

 

45.

 

 

 

Wie schafft man es, noch unter 30, beim LKA schon Hauptkommissarin zu sein?“, fragte Hauptkommissar Faber seine Tischnachbarin.

 

Schmeichler“, entgegnete Frau Garber mit einem Lächeln. „Das unter 30 ist ein Gerücht. Hauptkommissarin stimmt allerdings“.

 

Sie saßen zusammen an einem Tisch, in einem italienischen Restaurant in Bonn Poppelsdorf. Auch die Beamten aus Bonn und Köln hatten sich zur Teilnahme an dem Abendessen entschlossen.

 

Mich würde das ehrlich gesagt auch interessieren“, hakte Hauptkommissar Warnecke nach.

 

Nun ich habe eine Ausbildung für die Laufbahn zum höheren Dienst absolviert, war dann für zwei Jahre bei der Kripo in Bochum und habe dann eine Chance genutzt, für sechs Monate in beim FBI Quantico zu hospitieren. Ein Jahr nach meiner Rückkehr bin ich dann nach Düsseldorf zum LKA gegangen. Ein ganz normaler Werdegang also, wenn man von dem Aufenthalt in Quantico absieht.“

 

Ziemliches Tempo“, bemerkte Strecker. „Bleibt denn da Zeit für so etwas wie ein Privatleben. Sport oder Ähnliches?“

 

Sport gehört zum Dienstplan“, antwortete sie. „Neben dem Dienst bleibt, aber das kennen sie ja selbst, nicht mehr viel Raum für ein Privatleben. Trotzdem probiere ich es. Ich habe sogar ein Abo für die Oper in Düsseldorf. Häufig muss meine Lebensgefährtin sich aber eine andere Begleitung suchen. Aber jetzt wissen sie schon mehr über mich als sie wissen müssten. Was treiben sie denn so neben dem Dienst? Wer fängt an? Freiwillige vor“.

 

Es dauerte einige Sekunden, dann brach Hauptkommissar Faber das Schweigen. „Ok, ich habe ja nichts zu verschweigen. Ich bin 46 Jahre alt, verheiratet mit einer Lehrerin, zwei Kinder. Wie jeder, der sich vorstellen muss sagt, lese ich gerne, bin aber auch Fußballfan. Ich habe auch ein Abo, aber beim 1. FC Köln. Dauerkarte. Haben wir noch weitere Sportler in der Runde?“

 

Ich fahre leidenschaftlich gerne mit dem Rennrad“, antwortete Hauptkommissar Warnecke. In Anbetracht seiner für sein Alter schlanken Statur war das keine richtige Überraschung. „Ich sitze auf dem Rad, wann immer es meine Zeit erlaubt. Und meine Frau natürlich. Aber sie ist zwar nicht mehr berufstätig, gönnt mir aber meinen Sport.“

 

Er hatte nicht nur auf die Hauptkommissarin den Eindruck eines Menschen gemacht, der krampfhaft versuchte, jünger zu erscheinen als er war, wahrscheinlich war. Er war immer einen Tick sportlicher gekleidet, als man das erwartet hätte. Trotzdem war sie es, die nachfragte. „Für Damen ist es ok, ihr Alter zu verschweigen. Für Herren gilt das nicht. Befriedigen sie meine Neugier und sagen uns wie alt sie sind? Ich muss gestehen, ich kann sie nur sehr schwer einschätzen“.

 

Ok. Aber nur, wenn Kollege Strecker dann auch die Hosen runter lässt. Die gesuchte Zahl ist 62“, antwortete Hauptkommissar Warnecke. Damit richteten sich alle Blicke auf den Kölner Hauptkommissar.

 

Haben wir keine anderen Sorgen“, war Streckers Antwort. „Aber wenn es der Arbeitsatmosphäre dienlich ist, verrate ich es ihnen gerne. Mein Alter liegt zwischen dem der Kollegen Faber und unserem Bonner Kollegen. Wir werden ja sicher noch eine Zeit lang zusammenarbeiten. Und Beziehungen sind doch aufregender, wenn man auch später noch etwas übereinander erfahren kann.“

 

Faber wollte gerade nachhaken, als der Kellner mit dem Essen kam. Und nicht nur er schien dann eher an einer guten Mahlzeit interessiert als an Streckers Geheimnissen. Jedenfalls ließen sie Strecker ungeschoren, zumindest im Augenblick. Alle wandten sich ihren Tellern zu, die Unterhaltung reduzierte sich auf ein Minimum.

 

Seltsam“, dachte sich Hauptkommissarin Garber. Eigentlich passten die beiden Kollegen aus Köln und Bonn gar nicht in das Team. Ihre langjährige Erfahrung hatte sie eher zu Alleingängern gemacht. Wie alte ergraute Wölfe, die, wenn sie überhaupt mit anderen zusammen arbeiteten, eher gewohnt waren, das Rudel anzuführen. Und dies auf ziemlich unterschiedliche Weisen. Während Warnecke eher der stille Typ war, der mit wenigen Worten, nur bedingt durch seine permanente Unruhe andere förmlich zwang, hinter ihm herzulaufen, war Strecker der typische grantelnde Despot. Immer knurrend, permanent Aggressivität ausstrahlend und immer bereit, zuzubeißen. Wie die beiden wohl früher waren, als sie in Faber´s oder sogar in ihrem Alter waren? In welche Richtung würde sie sich wohl entwickeln? Was würde der Job aus ihr machen? Wenn sie überhaupt so lange durchhielt.

 

Sie haben uns noch nichts über ihre Familie erzählt? Kollege Strecker“. Mit dieser Frage riss Hauptkommissar Faber alle aus ihren Gedanken.

 

Nun da gibt es nichts zu erzählen, weil es da keine Familie mehr gibt. Ich war zwar mal verheiratet, aber das ist lange her. Aber eigentlich macht das auch keinen Unterschied. Denn letztlich ist man immer nur mit dem Beruf verheiratet. Und manche Frauen, siehe die Kollegen Warnecke und Faber, machen das eben mit, andere nicht. Irgendwie sind alle immer allein. Manche im Büro. Die anderen zu Hause. Es sei denn man macht Karriere“, sagte er und hob sein Glas in Richtung Hauptkommissarin Garber. „Der Chef geht jeden Abend pünktlich nach Hause. Zu seiner Familie“.

 

Ich werde mir das zu Herzen nehmen“, antwortete sie. „Aber erst müssen wir diesen Fall abschließen“.

 

Doch so leicht wie sie die Worte des Kölner Hauptkommissars augenscheinlich abwehrte, so leicht war es nicht. So leicht machte sie es sich zumindest nicht. Zumindest kam sie ins Grübeln während Hauptkommissar Faber die Gruppe zurück in ihr Hotel kutschierte. Es gab durchaus Grund, die Warnungen des Kölner Kollegen ernst zu nehmen. Auch sie hatte Beziehungen gehabt, die wegen ihres Berufs in die Brüche gegangen waren. Pläne, die geschmiedet waren, wurden obsolet, weil sie, statt an den geplanten Ereignissen teilzunehmen, Spuren suchte oder Tätern hinterherjagte. Die Entfremdung gegenüber den Partner wuchs im gleichen Maß, wie deren Verständnis für ihre Situation abnahm. Bis es dann jeweils zu Ende war. Ein Fall zu viel, eine gemeinsame Nacht zu wenig.

 

Gott sei Dank, waren ihre Verbindungen zu ihrer Familie noch intakt. Zu ihren Eltern und den zwei Brüdern, die sie wegen ihrer Fixierung auf den Beruf immer gerne foppten, sie mit wechselnden Spitznamen herausforderten. Von der wenig schmeichelhaften Miss Marple bis zur übertriebenen Modesty Blaise. Zumindest nach ihrer Meinung. Woher sie letztere wohl kannten? Wenn da nicht ihr Vater die Finger im Spiel hatte? Sie hatte jedenfalls googlen müssen. Nachdem man ihr den Namen buchstabiert hatte. Doch genau genommen reduzierte sich der Kontakt zur Familie auf Telefonate und Besuche zu Feier- oder Geburtstagen. Die sie leider auch immer häufiger verpasste, obwohl alle noch im Umkreis von weniger als 50 km von Düsseldorf entfernt wohnten. Ihre Mitgliedschaft im Sportverein bestand nur noch auf dem Papier. Sie zahlte noch ihre Beiträge, war aber schon seit Jahren nicht mehr beim Training gewesen. Von der Teilnahme an einem Meisterschafts- oder auch nur an einem Freundschaftsspiel ganz zu schweigen. Sie hatte Volleyball gespielt, Landesliga und nun hatte sie noch nicht einmal mehr Zeit auch nur hin- und wieder ein Bundesligaspiel zu besuchen. Oder zumindest die Liga im Fernsehen oder der Presse zu verfolgen. Zwar war sie derzeit wieder in einer glücklichen Beziehung, aber die war noch relativ frisch. Frei von ernsthaften Belastungsproben. Bisher. Der aktuelle Fall hatte das Potential eine erste zu werden. Und wenn sie darüber nachdachte, wie lange die Pause zu ihrer letzten Beziehung gewesen war, war sie sich der Gefahr einer ähnlichen Entwicklung wie bei Strecker durchaus bewusst.

 

Aber jetzt war sie müde. Und sie waren auch bald da. Ob die anderen ebenfalls die Fahrt schweigend und gedankenverloren verbracht hatten, hätte sie gar nicht beantworten können.