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Fatebug - Tödliches Netzwerk 53

 

53.

 

 

 

Wie sie und wir nach der Sichtung der Videos gesehen haben, haben sich unsere Vermutungen, dass der Mord in Hamburg vom gleichen Täter wie die Morde in Köln und Bonn vorher begangen wurden, bestätigt. In Anbetracht der durch die Videos demonstrierten Abscheulichkeit seiner Taten haben wir die Sonderkommission nochmals verstärkt. Das BKA, LKA und Beamte der Kriminalpolizei an allen Tatorten arbeiten intensiv an der Aufklärung. So furchtbar die Videoaufnahmen auch sind, sie liefern uns doch nähere Aufschlüsse über den Täter. Die Videos werden derzeit analysiert. Natürlich gehen wir auch noch anderen Spuren nach. Weitere Einzelheiten können wir aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit noch nicht machen. Bitte haben Sie auch Verständnis, dass wir aus den gleichen Gründen wahrscheinlich nicht alle ihre Fragen werden beantworten können“.

 

Mit diesem Satz beendet Kriminalrat Paulsen seine Ausführungen auf der Pressekonferenz. Wenige Worte für die Phalanx an Beamten, die die Behörden für das Podium aufgeboten hatten. Kriminalrat Paulsen saß im Zentrum, Frau Garber zu seiner Rechten und Hauptkommissar Faber an seiner anderen Seite. Links neben diesem saßen Staatsanwalt Dr. Werner und Hauptkommissar Strecker. Komplettiert wurde die Mannschaft durch Hauptkommissar Warnecke, der am anderen Ende der Reihe saß.

 

Ihnen gegenüber saßen annähernd 100 Journalisten und starrten, wie die Besucher eines Kinos auf die Leinwand, auf die Riege der Beamten auf dem Podium.

 

Die erste Frage kam von einem älteren Reporter in der ersten Reihe.

 

Was sagen Sie zu der bestialischen Art und Weise wie die Morde ausgeführt wurden? Hat es so etwas schon mal gegeben? Ist der Täter psychisch krank?“

 

Sie hatten diese Frage natürlich erwartet. Hauptkommissar Faber beantwortete sie plangemäß. „Nun das sind eigentlich schon zwei Fragen, aber gut. Nein, Morde, die in der genau gleichen Art und Weise durchgeführt wurden, sind uns nicht bekannt. Es gab Täter die ihre Opfer aufschlitzen und ihre Organe entfernen. Aber dass sie den Darm am Mund befestigen, so etwas hat es noch nicht gegeben. Ob der Täter psychisch krank ist, können wir natürlich erst feststellen, wenn wir ihn gefasst haben. Wir kennen seine Motive derzeit noch nicht. Vielleicht ist es eine rituelle Handlung, die uns noch unbekannt ist. Vielleicht etwas anderes. Wir wollen hier nicht spekulieren.“

 

Wie charakterisieren sie denn den Mörder?“, fragte eine junge Journalistin in der dritten Reihe.

 

Haben sie eben nicht zugehört. Wenn ja, sollten sie sich doch denken können, dass das eine der Fragen ist, die wir nicht beantworten werden. Ich hoffe, die nächsten Fragen werden intelligenter“, bellte Strecker in den Raum, bevor jemand anders das Wort ergreifen konnte.

 

Genau die richtige Antwort um eine friedvolle Atmosphäre zu schaffen“, dachte sich Hauptkommissar Faber, als auch schon die Frage kam, die sie am meisten gefürchtet hatten.

 

Erwarten sie, dass der Täter weiter macht? Und was werden sie zu tun, um das zu verhindern?“

 

Obwohl sie mit der Frage gerechnet und mögliche Antworten hin- und herdiskutiert hatten, schien keiner der Ermittler die Frage beantworten zu wollen. Schließlich ergriff Hauptkommissar Faber das Wort. „Ehrlich gesagt, wissen wir das noch nicht. Außer den Umständen an den Tatorten und der Vorgehensweise des Täters haben wir noch zu wenig Informationen über die Zusammenhänge. Wir müssen noch mehr wissen, um hier eine verlässliche Prognose abgeben zu können.“

 

Wie und warum hat der Täter seine Opfer ausgesucht?“, wollte der Reporter des „Rheinischen Anzeigers“ wissen.

 

Wieder wohl auch, weil er den Mann aus zahllosen Pressekonferenzen kannte, antwortete Strecker. „Auch hier habe ich wieder den Eindruck, dass sie nur die Antworten auf die Fragen interessieren, die sie selber gestellt haben. Der Kollege vom BKA hat doch eben gesagt, was wir über die Zusammenhänge wissen.“

 

Und was wissen oder besser sagen sie zu dem Namen „Fatebug“, unter dem die Videos gepostet wurden?“

 

Auch mit dieser Frage hatten sie gerechnet. Dieses Mal war es an Hauptkommissarin Garber zu antworten. „Dabei handelt es sich wohl um ein Pseudonym, das der Täter sicher bewusst gewählt hat, weil er von vorneherein plante, die Videos von den Morden auf den Facelogseiten der Opfer zu veröffentlichen. Die sprachliche Ähnlichkeit von Fatelog und Fatebug ist sicher kein Zufall, sondern bewusst und akribisch gewählt. Über die konkrete Motivation können wir auch hier sicher nur spekulieren. Wir versuchen natürlich herauszufinden, wer sich hinter dem Pseudonym bzw. dem Account verbirgt. Das ist aber nicht einfach, dabei muss uns das Unternehmen „Fatelog“ helfen. Nur sie haben die entsprechenden Daten. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass hinter dem Account eine reale Person steckt, hoffen aber trotzdem, dass uns die Daten bei unseren Ermittlungen weiter helfen“.

 

Sie wissen also so gut wie nichts“, rief ein junger Journalist in den Raum, „scheinen aber, ich will ihrem Kollegen mal zugutehalten, dass das der Grund für seine unverschämten Attacken ist, schon ziemlich überarbeitet.“

 

Das zustimmende Gemurmel und die damit einhergehende Lautstärke im Saal nahm Kriminalrat Paulsen zum Anlass, die Pressekonferenz zu beenden. Wenn es das Ziel gewesen war Vertrauen für die Arbeit der Ermittler zu gewinnen oder die Journalisten davon zu überzeugen, dass Unruhe oder gar Panik unnötig waren, hatten sie dieses deutlich verfehlt. Immerhin hatten sie die Journalisten nicht großartig belügen müssen.