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Fatebug - Tödliches Netzwerk 72

 

72.

 

 

 

Max Lohr staunte nicht schlecht, als Hauptkommissar Strecker plötzlich durch die Tür kam. Draußen war es bereits dunkel, eigentlich bald Zeit für den Feierabend. Er war die letzten Tage ganz gut ohne seinen Chef zurechtgekommen. Natürlich hatten sie wenig Ergebnisse produziert, keinen Täter gefasst, noch nicht mal eine heiße Spur gefunden. Aber sie hatten mit allen Kumpanen von Donner gesprochen und einen guten Teil der geplanten Ermittlungsarbeit geschafft. Das lag sicher auch daran, dass sie, und damit meinte er natürlich insbesondere sich selbst, die einzelnen Aktivitäten sorgfältig geplant und nach und nach abgearbeitet hatten. Ohne Intuition, Streckers Intuition, die in der Vergangenheit alle Planungen mit regelmäßiger Sicherheit immer wieder über den Haufen geworfen hatte. In der Regel natürlich auch ohne Ergebnisse zu produzieren.

 

Die ruhigen Zeiten sind vorbei“, begrüßte ihn Strecker sarkastisch. „Wir sind wieder ein Team.“

 

Sind wir raus aus dem Fall?“, fragte der Kommissar überrascht.

 

Im Gegenteil“, entgegnete Strecker. „Ich konnte die Kollegen davon überzeugen, dass wir den Täter eher im Umfeld der Opfer statt in ihren gigantischen Computerlisten finden. Weil es etwas Persönliches ist. Zwischen dem Täter und seinem Opfer. Einem seiner Opfer zumindest. Jedenfalls haben sie sich nicht getraut, meinen Vorschlag zu ignorieren. Deshalb haben sie die Bonner und Hamburger Kollegen und mich in die Reviere zurückgeschickt. Wir konzentrieren uns jetzt wieder auf unsere lokalen Spuren. Meckenheim um den Rest der Welt. Wie ist denn der Ermittlungsstand im Fall Donner?“.

 

Lohr sag seinen Chef ungläubig an. „Das meinen sie nicht ernst, oder?“, fragte er rhetorisch nach. „Das unser Täter aus dem Umfeld unseres toten Kneipenbesitzers stammt? Der Ansammlung von braunen Dumpfbacken mit einem Hang zum Indianerspielen. Oder aus dem Umfeld dieses zu Tode gekommenen Asylanten oder den Sportvereinen. Natürlich war der Aufschrei groß, nachdem sie den Ausländer totgeprügelt hatten. Aber das kam mehr von Menschen oder Gruppen, die sich sozial engagieren. Dass einer von denen einen derartig kaltblütigen und geschickt agierenden Killer abgibt, glauben wir doch beide nicht. Ich gebe Ihnen Recht. Aber dann würde ich eher in Bonn oder Hamburg suchen. Wir haben im Übrigen alle Kandidaten gesprochen und gecheckt. Wir haben nichts gefunden. Weil da nichts war.“

 

Trotzdem wir reden nochmal mit allen. Kommen Sie, wir machen einen Ausflug in die Kneipe vom Donner. Mal sehen, was die Witwe treibt“, schlug der Hauptkommissar unmissverständlich vor.

 

Widerwillig, doch ohne Widerworte, sprang Lohr auf, griff sich seinen Mantel vom Kleiderhaken und folgte seinem Chef auf den Flur hinaus.

 

Trotz des dichten Berufsverkehrs schafften sie es innerhalb von ca. 15 Minuten in Harry´s Schenke. Die Kneipe war noch so gut wie leer. Neben Frau Beu, die hinter den Tresen am Zapfhahn herum mengte, saßen nur zwei Gäste auf Barhockern vor der Theke.

 

Gut das ich nicht auf Fatelog bin“, erläuterte der ganz rechts sitzende Gast seinem Zechkumpan. „Die haben jetzt wahrscheinlich ganz schön die Hosen voll. Das ist schon etwas anderes, ob man seinem Gegenüber seine Meinung ins Gesicht sagt, mit der Gefahr was auf die Fresse zu kriegen oder irgendwo in der guten Stube sitzt und aus dem Dunkeln stänkert. Geschieht ihnen recht, diesen Idioten. Hoffentlich werden die alle verknackt. Die sind schlimmer als dieser Mörder.“

 

Halts Maul“, antwortete der andere Mann. „Das kannst du doch nicht ernst meinen. Nur weil Moritz seine Meinung gesagt hat, kommt da so ne Type daher und schlachtet ihn ab. Wir sind doch hier nicht im Wilden Westen. Aber ich gebe dir Recht. Bis unsere Bullizei den verhaftet hat“.

 

Ohhh. Volkes Stimme“, unterbrach Strecker das Gespräch der beiden Kneipengäste. Er erntete nicht nur zwischen Erstaunen und Wut changierende Gesichter der beiden Männer, sondern auch einen genervten Blick von Frau Beu.

 

Der Herr Hauptkommissar, guten Tag“, begrüsste Frau Beu die beiden neuen Gäste und entschärfte damit beiläufig auch den sich anbahnenden Konflikt zwischen den alten und neuen Gästen. „Und heute sogar in Begleitung“, fuhr sie fort und nickte Kommissar Lohr zu.

 

Wir haben noch etwas Gesprächsbedarf“, antwortete der Hauptkommissar. „Zu dem Thema, über das sich unsere beiden Experten hier gerade so lebhaft unterhalten haben“.

 

Was ich weiß, habe ich Ihnen doch schon alles gesagt. Können Sie mich nicht einfach in Ruhe lassen? Und meine Gäste auch“, entgegnete die Wirtin.

 

Können wir uns irgendwo allein unterhalten? Ohne die Experten“, sagte Strecker, ihre Fragen ignorierend.

 

Kommen sie, wir setzen uns hinten an einen Tisch“, antwortete sie und stellte den beiden Gästen jeweils noch ein frisches Kölsch auf die Deckel. Dann verließ sie ihren Platz hinter dem Tresen und nahm an hintersten Tisch Platz. Die Beamten folgten ihr und setzten sich ebenfalls an den Tisch.

 

Also?“, fragte Frau Beu provozierend.

 

Wir müssen mehr über die Verbindung von Herrn Donner und dem Mann, den er auf Fatelog verunglimpft hat, wissen?“, sagte Max Lohr. „Woher hat er ihn gekannt?“.

 

Das weiß ich nicht. Meines Wissens hat er ihn nie getroffen“, antwortete Frau Beu. „Eine Gruppe von seinen Fußballkumpanen hat sich am Tresen über den Typen unterhalten“, fuhr sie fort, als die Beamten sie ungläubig anstarrten. „Ihn als Superspieler bezeichnet, er würde der Germania die Meisterschaft versauen und so weiter. Und irgendwann hat Max dann gemeint, dagegen könnte man doch was tun, es zumindest versuchen. Mehr habe ich nicht mitbekommen, hatte die Angelegenheit vergessen. Bis ich dann von dem Überfall gehört hatte. Als ich Moritz darauf angesprochen hatte, hat er nur mit den Schultern gezuckt. Und gelächelt. Das Arschloch“.

 

Das heißt, er hat seine Bemerkungen allein auf der Basis des Gesprächs mit seinen Kumpanen gepostet?“, fragte Kommissar Lohr nach.

 

Er brauchte keine Antwort auf diese Frage.

 

Können sie sich noch erinnern, welche seiner Kumpanen bei dem Gespräch über den Fußballer dabei waren?“, fragte Hauptkommissar Strecker nach. Obwohl auch er keine Antwort mehr brauchte. „Die Spur war für ihn zu Ende. Alles was man noch finden würde, wäre höchstens für einen Psychologen interessant, rein wissenschaftlich, um herauszufinden, wie krank Hirne werden können“, dachte er sich, als er pflichtschuldig die Namen notierte, die Frau Beu ihm gab.

 

Kann ich Ihnen noch ein Bier ausgeben? Vielleicht die letzte Gelegenheit“, bot die Wirtin den Beamten an. „Die Kneipe wird nach dem Wochenende geschlossen. Wenn Sie noch was von mir wollen, haben sie dann eine längere Anreise. Ich gehe zurück in meine Heimat“.

 

Nein danke. Und Herr Sterzel?“, fragte Max Lohr nach und erhob sich.

 

Ist auch nicht besser“, war ihre Antwort.

 

Ich hoffe, Sie kriegen das Schwein“, rief einer der Gäste den Beamten hinterher, als sie den Gastraum verließen.

 

Da bin ich mir nicht so sicher“, sagte Strecker. Mehr zu sich selbst.